Banalverkehr - Roman
bräuchte kein Leben vor oder nach diesem Kuss.
Erst spät am Abend kommen wir zurück und machen es uns bei mir zu Hause auf der Couch gemütlich. Ja, gemütlich . Und wer hätte gedacht, dass Gemütlichkeit sich so fantastisch anfühlen könnte? Edo zieht an seinem Joint, während ich seine Stirn kraule. Ich halte das seit heute Nachmittag für die Methode, um ihn dazu zu bringen, mich zu küssen. Und es klappt. Er schmeckt nach süßlich herbem Tabak, der auf meiner Zunge brennt. Es ist nicht schlimm, aber ich nehme mir vor, morgen eine Zahnbürste für ihn zu kaufen, die er dann hierlassen kann.
»So«, sagt er schließlich und schiebt mich zur Seite, »ich werde dann mal langsam los.«
»Was? Wohin?« Nach der Zunge sollte meiner Meinung nach jetzt ein anderes Körperteil zum Einsatz kommen und das gar nicht aus rein sexueller Motivation heraus. Natürlich nicht. Hier geht es um viel mehr. Die Vereinigung unserer Körper hätte etwas Spirituelles, und ich bin mir sicher, dass wir und unsere Beziehung dafür bereit sind.
»Nach Hause. Ist ja auch schon spät.« Seit wann gibt es denn bitte eine Sperrstunde auf dem Pfad der Erleuchtung? Edo lächelt, als könnte er in meinen Kopf gucken, dann steht er auf und geht durch das Wohnzimmer in den Flur.
»Nein!«, rufe ich und laufe hinterher. »Du kannst jetzt nicht gehen!« Du musst mich doch erleuchten!
»Es war wirklich ein schöner Tag mit dir«, sagt er und gibt mir einen Gutenachtkuss. Erst hoffe ich, dass es ein Kuss ist, der weiterführt, aber es bleibt ein Gutenachtkuss. Das wird mir spätestens bewusst, als er danach »Gute Nacht« sagt. Und die Wohnung verlässt.
»Gute Nacht«, sage ich auch, aber Edo ist schon längst zur Tür hinaus. Ich schalte das Licht aus, denn es kommt mir unpassend vor, dass hier etwas leuchtet, wenn schon nicht ich, und taste mich im Stockfinsteren zurück ins Wohnzimmer zur Couch. Es ist ungemütlich, so alleine, so ohne Edo, und ich verstehe nicht, warum er gehen wollte. Wirklich nicht. Hab ich irgendetwas falsch gemacht? Etwas Falsches gesagt? Das kann eigentlich nicht sein, immerhin habe ich heute kaum irgendwas gesagt aus Angst, es könnte etwas Falsches sein. Außerdem bin ich im nüchternen Zustand auch eher schüchtern, zumindest bei Leuten, an denen mir etwas liegt.
Ich setze mich auf die Couch und fühle so eine Art Restwärme von den beiden Körpern, die hier gerade noch so eng beieinanderlagen.
Kapitel 6 – Zerrleuchtet
Ich. Bin. Ganz. Mies. Drauf.
Erst konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich mich über mich selbst oder über Edo ärgern sollte. Aber im Schlaf muss ich beschlossen haben, meinen Frust auf ihn zu konzentrieren, denn am nächsten Morgen hasse ich ihn. Ein bisschen. Weil er mich nicht wollte. Warum wollte er mich nicht? Andere Männer würden, ja, was?, eben einiges tun, um die Nacht mit einer Frau wie mir zu verbringen. Und was macht Edo? Sich aus dem Staub. Mein Stolz hat Verbrennungen mindestens dritten Grades erlitten und wirft fiese Blasen. Ich fühle mich entstellt und entblößt und kann nur hoffen, dass man es mir nicht ansieht.
Am liebsten würde ich mich nochmal krankmelden, aber langsam muss ich aufpassen, denn ich werde zum Dauermenstruierer. Also mache ich mich doch auf den Weg zur Arbeit und der Gedanke, dass ich dort gleich auf Edo treffen muss, nervt mich fast so sehr, wie der penetrante Pupsgeruch in der U-Bahn. Deswegen hasse ich U-Bahn-Fahren. Einer pupst immer. Wüsste ich, wer es war, würde ich ihm sofort eins in die Fresse hauen. So sauer bin ich. Wegen dem Pups. Und wegen Edo. Vor allem wegen Edo. Der Arsch. Ich werde mich entlieben! So schnell wie möglich! Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Und Itsy anrufen, das werde ich nachher auch gleich machen. Sie muss mir beim Entlieben helfen. Oder, na ja, vielleicht ist Itsy-Ablenkung doch nicht so das Richtige. Darauf wartet der doch nur, dieser Edo, dass ich irgendeine Dummheit mache, die ihn darin bestätigt, dass ich nicht gut genug für ihn bin.
»Kannst du dich mal bitte auf den Fuß konzentrieren?«, motzt Franzi, die seit einer halben Stunde darauf wartet, dass ich ihr die richtigen Titel für den Entwurf ansage.
»Tschuldigung«, sage ich und finde, dass sie natürlich Recht hat. Menschen mit schlimmster Hornhaut warten darauf, dass die Kampagne fertig wird und ihnen ein neues Wundermittel anbietet. Um die geht es jetzt. Und nicht um mich und den blöden Edo. Der ja eigentlich schon unglaublich süß ist.
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