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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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betrogen. Und mir mein Taschengeld geklaut. Meine Eltern haben ihn gehasst, denn bis ich ihn kennengelernt hatte, war ich ein sehr braves Mädchen. Na ja, er hatte wohl irgendwie einen komischen Einfluss auf mich, keine Ahnung. Dann gab es noch David, mit dem ich ungefähr ein Jahr lang zusammen war. Es hat gut geklappt, bis er eines Tages mit einem Bausparvertrag ankam. Ach ja, und dann Lutz halt. Aber irgendwie zählt der auch nicht. Der hat mir zwar ein Kind gemacht, aber das hat sich dann auch erledigt. »Nee«, fasse ich zusammen, »so etwas wie mit Edo habe ich noch nie erlebt.«
    Der Rentner nickt betreten und denkt sich seinen Teil. »Ich bin aber nicht irgendwie emotional zurückgeblieben oder so!«, stelle ich schnell klar, aber das hätte ich mir vermutlich sparen können. Er versteht mich einfach nicht, und dafür werde ich ihn nicht noch belohnen, indem ich ihn unterhalte. Stattdessen schaue ich aus dem Fenster. Die Welt hat Bäume und Wiesen an den Fahrbahnrand gestellt, und die sind heute noch viel grüner als sonst.
    Ich rufe erst bei Edo an, als wir an der letzten Raststätte vor Hamburg Pause machen. Er geht nicht ran, und ich werde schon leicht nervös, denn wenn ich ihn jetzt nicht erreiche, stehe ich in ungefähr einer halben Stunde in einer richtig großen, mir richtig fremden Stadt und habe mal so richtig keine Ahnung, was ich tun soll. Beim dritten, vierten oder fünften Mal habe ich ihn dann endlich in der Leitung, und der Klang seiner Stimme, allein dieser Klang, sorgt sofort wieder für richtig viele Glückshormone. Zumindest, bis Edo verstanden hat, dass ich komme, und erst mal sauer wird. Auch richtig.
    »Nach Hamburg? Jetzt? Getrampt? Das ist viel zu gefährlich! Der Typ hätte über dich herfallen können!«
    Nein, hätte er nicht, aber Edo hat ja im Gegensatz zu mir auch nicht gesehen, wie der Rentner gerade über den Parkplatz gekrochen ist. Ich hoffe wirklich, er hat es rechtzeitig zur Toilette geschafft …
    »Puppe!?«
    »Was? Ja, also Edo, so kurzfristig hätte ich doch gar keinen Flug gekriegt! Und mit meinem Polo wäre ich nicht mal bis zur Autobahnauffahrt gekommen! Und im Zug riecht es wie in der U-Bahn.« Ich räuspere mich. »Nach Pups.«
    »Du bist irre«, sagt Edo, bevor er mir den Treffpunkt nennt, an dem der Rentner mich absetzen soll.
    Als wir in die Stadt hineinfahren, zittert mein linkes Knie so sehr, dass ich Angst habe, ich könnte es mir gegen das Kinn hauen. Und mein Herz klopft.
    »So, hier wären wir«, der Rentner hält den Volvo an. Ich steige aus und höre noch ein »Viel Glück!«, bevor ich die Tür hinter mir zuschlage.
    Und dann sehe ich ihn. Edo. Ich erkenne ihn gleich wieder. Also, natürlich erkenne ich ihn gleich wieder … Er kommt auf mich zu, und ich falle in seine Arme, in eine warme, zeitlupige Umarmung. Ich liebe ihn.
    Er zeigt mir ein bisschen was von Hamburg, und ich staune ordnungsgemäß. Die Stadt an sich könnte mich nicht weniger interessieren, aber mit Edo durch die Gegend zu spazieren, ist einfach wunderschön. Jeder, der uns sieht, muss sofort denken: »Was für ein nettes Paar.« Und das sind wir. Am Mittag gehen wir in eine Strandbar, und kaum haben wir uns in einen der Strandkörbe gesetzt, habe ich schon wieder vergessen, ob das nun die Alster oder die Elbe ist, die da vor uns liegt und den Sonnenschein reflektiert.
    »Lerne ich auch deine Eltern kennen?«, frage ich, nachdem wir seit einer halben Stunde nebeneinandersitzen, die sommerliche Wärme, kaltes Bier und eine vertraute Stille genießen.
    »Meine Eltern? Warum? Also, das passt nicht so. Sie sind auch gar nicht in der Stadt. Ein andermal vielleicht.« Das finde ich gut. Ich müsste ziemlich viel trinken, bevor ich sie kennenlernen könnte.
    »Okay, super«, sage ich, und wir verfallen wieder in diese wunderbare Stille. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man schweigend nebeneinandersitzen kann und dieses Schweigen nicht daher kommt, dass es nichts zu sagen gäbe.
    Aber dann klingelt mein Handy. Es ist Franzis Nummer und erst will ich gar nicht rangehen, dann fällt mir ein, dass sie wohl seit heute Morgen um acht vor Fußskizzen sitzen und auf mich warten muss. Ich hatte vor lauter Euphorie vergessen, mein Lügennetz auszuwerfen, bevor ich die Stadt verlassen habe. Aber jetzt lasse ich meine nikotingeschädigten Lungen rasseln und huste ins Telefon. Ich bin unglaublich erkältet und bleibe lieber daheim. Morgen ist ja auch schon Wochenende, und damit habe ich genug Zeit,

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