Banalverkehr - Roman
werden.
»Nächsten Samstag in Hamburg. Wird ein Riesending.«
Ich freue mich auf das Riesending. Ich werde toll aussehen, wenn ich erst die Kleiderfrage und das mit den Nägeln geklärt habe, und endlich meine neue Verwandtschaft kennenlernen. Nein, Freude ist das nicht, was ich empfinde. Es ist vielmehr so, dass mein Kopf vor lauter Endorphinen fast überschäumt. Nein, auch das trifft es nicht. Er schäumt über, nicht nur fast, sondern tatsächlich, und ich trage nun also so eine Art Schaumkrone mit mir herum.
Edo füllt gleich am Montag in der Agentur seinen Urlaubsantrag für nächsten Freitag aus. Ich sehe ihn auf Ottos Schreibtisch liegen und mache es ihm nach. Wir werden drei Tage in Hamburg sein, drei Riesendinger, wenn man so will.
Am Abend des vierzigsten grünen Kästchens sitze ich aufrecht, mit geschlossenen Knien, einen braven Scheitel in mein noch nasses, vorgestern frisch gesträhntes Haar gezogen, auf der Bettkante und warte. Auf Instruktionen. Einen Anruf. Eine SMS . Meine Beine zittern vor Aufregung. Morgen werde ich meine Schwiegereltern treffen. Ich überlege mir charmante Themen. Übers Wetter will ich nicht reden. Das macht schließlich jeder. Vielleicht kennen sie den Fernsehspot mit dem frühlingsfrischen Waschmittelfrosch. Der ist von mir. Damit könnte ich angeben. Während meine Haare trocknen, starre ich auf das Handy, das griffbereit auf meinen Knien liegt. Daneben klopfen meine Hände, inklusive der neuen Modellage im Schmetterlingsdesign, einen nervösen Takt gegen die Außenseiten meiner Oberschenkel. Ich starre bis 00:13 Uhr, dann halte ich es nicht mehr aus. Ich mag Edos Spontanität, wirklich, aber wir müssen darüber sprechen, wann er mich morgen abholt, welche CD s ich für die Fahrt einpacken soll und … und … und … ob ich vielleicht sogar Brote schmieren sollte.
»Ja?« Seine Stimme klingt schlaftrunken. Scheinbar hat er die Nachtschicht verkürzt, damit wir morgen früh pünktlich loskommen. Ich hoffe schwer, er ist mit seinem kleinen Cabrio noch mal durch die Waschanlage gefahren.
»Edo, ich bin’s. Du, ich wollte mal fragen wegen morgen.« Ansonsten müssten wir das auch noch erledigen, bevor wir auf die Autobahn fahren. Es muss schließlich perfekt sein. Wir müssen perfekt sein, wenn wir bei seiner Familie ankommen.
»Ja?« Mein Polo wäre sauber, aber wie wir ja alle wissen, würden wir damit nie in Hamburg ankommen.
»Wann soll’s denn nun losgehen?« Meine Tasche ist schon gepackt. Sicherheitshalber habe ich gleich zwei potenzielle Hochzeitskleider gekauft. Man weiß ja nie. Es gibt bestimmt einen angetrunkenen Onkel, der mir seinen Rotwein auf den feinen cremefarbenen Satin schüttet.
»9:00 Uhr muss ich da sein.« In diesem Fall würde er dann einfach durch ärmelloses Kornblumenblau ersetzt. Auch Satin, versteht sich. Ich mag Satin, weil es so schön schimmert. Nur leider ist man damit im Alltag ja eher overdressed … warte mal!?
»9:00 Uhr?«
»Ja.«
» Da sein ? «
»Ja!?«
»In Hamburg???« Also, das wird jetzt wirklich eng, dann müssten wir also in zwei, drei Stunden schon aufbrechen! Oh Gott, ich muss sofort meine Haare fönen!
»Hä? Nee! Am Flughafen.« Am …?
»… Flughafen???«
»Ja, ich hätte auch lieber einen späteren Flug genommen, aber der war am günstigsten.«
Okay, was nun passiert, hat natürlich damit zu tun, dass die Zeit sich dehnt, diese verfluchten Slomos werden als Stilmittel wirklich überstrapaziert, das muss man sagen. Außerdem herrscht eine eigenartige Stille, die nur davon durchbrochen wird, dass irgendwelche Murmeln gegen die Wände eines hohlen, blechernen Konstrukts kullern, auf dem es ehemals eine Schaumkrone zu bestaunen gab.
»Wie, Flughafen?«, höre ich mich schließlich fragen, und die Auflösung verursacht ein wildes Durcheinanderrollen dieser Scheißmurmeln, wir haben hier so eine Art Murmelralley, Herrschaften, und zudem die peinlichste Situation meines ganzen kläglichen Lebens. Denn natürlich hatte Edo mich nie gefragt, ob ich ihn zur Hochzeit begleiten will, und dementsprechend war auch niemals der Plan, dass ich morgen früh neben ihm im frisch gewachsten Cabrio und übermorgen im cremefarbenen Satin an der feierlich gedeckten Hochzeitstafel sitze. Die Wahrheit ist, dass Edo morgen um kurz vor zehn mit Air Berlin nach Hamburg fliegen wird, während das frisch gewachste Cabrio und vor allem ich zu Hause bleiben sollen.
»Ach so. Dachtest du, ich fahre mit dem Auto?«
Ȁh, ja, das
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