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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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um mich auszukurieren. Franzi fragt, ob ich etwas aus der Apotheke bräuchte, aber ich bin gut versorgt. Und was da im Hintergrund so laut tuten würde. Es ist ein Frachtschiff. Natürlich im Fernsehen. Wo denn auch sonst?
    »Du kannst echt gut lügen«, sagt Edo, als ich aufgelegt habe. Erst will ich mich wie immer freuen, wenn er mir ein Kompliment macht, aber dann kommt mir das doch ein bisschen unpassend vor, und ich bestelle lieber noch ein Bier.
    Am Abend treffen wir Christian in einem Club. Er hat sich gerade Hals über Kopf verliebt. Im Urlaub in Spanien. Auf den ersten Blick. »Ich hab sie gesehen, wie sie in der Schlange vor der Disco stand, und wusste: das ist die Frau!« Ich verstehe ihn völlig und bin ganz außer mir, weil noch jemand so ein Glück hat wie Edo und ich.
    »Lasst uns tanzen«, sagt Edo. Freudentanz wahrscheinlich. Freude über so viel Liebe. Ich finde die Idee super. Bis ich auf der Tanzfläche stehe. Ich kann nämlich nur gut tanzen, wenn ich richtig besoffen bin. Unter einem bestimmten Pegel bin ich eher so der Kopfnicker, aber ich muss mittanzen! Es ist doch schließlich Edos Idee und noch dazu ein Freudentanz! Neben mir tanzt ein Mädchen, und wie sie sich bewegt, sieht wirklich gut aus. Also imitiere ich ihren Stil.
    »Guck nicht so viel nach rechts und links«, ruft Christian mir ins Ohr.
    Ich lache dümmlich und nicke, dann gehe ich zur Theke, bestelle mir einen doppelten Wodka. Runter damit! Ich merke, wie meine Glieder warm werden und ich das Gefühl bekomme, ich könnte jetzt gut funktionieren. Zurück auf der Tanzfläche brauche ich kein Rechts oder Links mehr, denn jetzt sehen meine Bewegungen gut aus, und ich werde imitiert. Ich tanze mit Edo, mein Körper ist eine Schlange, meine Hände berühren ihn überall, ich fange an ihn zu küssen … und er macht mit. Das Eis ist gebrochen. Und Edo auch.
    Wir fahren mit dem Taxi zur Wohnung seines Bruders, der zurzeit bei seiner Freundin in Berlin ist. Auf der Fahrt sitze ich auf seinem Schoß und drücke meinen Körper an seinen und meine Zunge in seinen Mund. Ich weiß, dass ich ihn jetzt haben kann. Ob er will oder nicht.
    Natürlich muss es der beste Sex sein, den ich je gehabt habe. Und natürlich ist er das auch. Danach spreche ich zum ersten Mal aus, was ich schon von Anfang an wusste: »Edo, ich liebe dich.«
    Edo sagt nichts. Ich glaube, er schläft schon.
    Am nächsten Tag haben wir beide einen schlimmen Kater. Alkohol, mein fast täglich Brot, man müsste doch meinen, dass der Körper sich irgendwann daran gewöhnt. Tut er aber nicht und muss mit Aspirinwasser getränkt und mit Junkfood gefüttert werden. Wir sitzen in einem Burgerladen, und ich habe heute Edos wunderschöne blaue Augen noch gar nicht gesehen, weil er sie hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt.
    »Was machen wir heute?«, frage ich, absolut nicht willens, einen blöden Kater meine gute Laune kaputtmachen zu lassen.
    »Was du willst …«, murrt er. Sein Kater ist wahrscheinlich noch ein bisschen hinterhältiger und lässt sich nicht wie meiner allein durch den Gedanken an die letzte Nacht, die Nacht der Nächte, von einem Endorphinrausch ( Edo rphinrausch!) in Schach halten.
    »Ich würde gern mit einem Schiff fahren!« Wie im Film. Zwei Liebende auf einem Boot. Natürlich nicht wie in dem Film, den ich damals mit Lutz gucken musste. Wo einer der beiden am Ende draufgeht. Trotzdem habe ich plötzlich vollstes Verständnis für diesen armen Jungen, denn sobald wir in See gestochen sind, der Himmel über uns blau, die Sonne grell, der Wind leicht und warm und vor allem Edo an meiner Seite, würde ich am liebsten auch auf die Reling klettern und meine sofortige Weltherrschaft ausrufen.

Zwischenspiel: Montag, 15.50 Uhr – Der Stuhlkreis, Teil 2
    »Er sieht so verdammt gut aus und ist so charmant, witzig, niveauvoll. Ich hab das Gefühl, die Welt gehört mir. Und dann bin ich plötzlich sogar schwanger von diesem wunderbaren Mann, und manchmal denke ich, dass es fast zu schön ist – wie ein Traum.«
    Aber wie merkt man, dass der Traum zu Ende ist, wenn man vergessen hat, seinen Wecker zu stellen, und einfach verpennt? Ich klopfe ihr in einem Versuch schwesterlicher Aufmunterung auf die Schulter, und sie sieht mich überrascht an. Schnell ziehe ich meine Hand zurück. Ich dachte, so was würde gut in einen Stuhlkreis passen, aber ich will hier natürlich niemanden bedrängen.
    »Am Anfang ist es so, je mehr mein Bauch wächst, desto stolzer ist er,

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