Banalverkehr - Roman
nach dem Motto, hab ich gemacht . Muss wohl irgend so ein Steinzeitreflex sein, keine Ahnung«, sagt sie. Kollektives Gekicher, aber als es sich ausgekichert hat und einige betreten zu Boden schauen, wird klar, dass steinzeitmäßiger Stolz ob des männlichen Powerspermas eher die Ausnahme ist und beim gemeinen Neandertaler mindestens Panik ausbricht oder sogar der natürliche Fluchtreflex. Aber wenn die Frau immer dicker wird, mag es verständlich sein, dass Mann zwischen ihr und einem Mammut nicht mehr richtig unterscheiden kann und lieber vorsichtshalber die Beine in die Hand nimmt. Ich setze noch einen kleinen Kicherer nach, aber der wird sofort mit bösen Blicken abgestraft, denn jetzt steuern wir unaufhaltsam auf die Stelle zu, wo der Stolz in Stress umschlägt.
»Und ich denke noch: ›Wenn es jetzt schon so schön ist, wie wird es dann erst sein, wenn das Baby auf der Welt ist?‹ Aber …«
Kapitel 7 – Schwebezustand
Ich laufe mit einer triefenden Nase durch Manchester. Manchester in England. UK. Great Britain. Hail to the Queen, wir verstehen uns. Um genau zu sein, ist es eher Stadtrand, ein Wohnviertel, es gibt Häuser, Wiesen, ein Fußballtrainingscenter mit angeschlossenem Café. Aber es ist trotzdem Manchester. Manchester in England. UK . Great Britain. Hail to the Queen, wir verstehen uns. Wir haben Samstag und definitiv einen Tag zum Korinthenkacken, es gilt, bei der Wahrheit zu bleiben oder ihr wenigstens ansatzweise ins Auge zu schauen, und sie blendet mich, obwohl Gucci in dieser Saison extrem dunkles Glas für die Sonnenbrillen verwendet. Ich kann meine triefende Nase nicht auf die Witterungsverhältnisse schieben, auch hier hat es ungefähr 35.000 Grad, und muss also zugeben, dass ich heule. Kaum merklich hinter dunklem Gucci. Ich laufe also kaum merklich heulend durch das Wohngebiet von Manchester und wie ich hierher gekommen bin, sollte nun erklärt werden, aber das muss ich selbst erst mal irgendwie zusammenbasteln, denn bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich in Manchester aus dem Flieger gestiegen bin, war ich ziemlich betrunken.
Die Rekonstruktion der Ereignisse ergibt nun Folgendes: ich bin korinthentechnisch betrachtet seit dreiundvierzig Tagen mit Edo zusammen. Jeden Morgen markiere ich in meinem Outlook-Kalender ein zusätzliches Kästchen grün. Seit dreiundvierzig Tagen also grün. Gelb sind Termine, die ich von der Agentur aus habe, und rot sind die Abende, die ich mit Edo verbringe, inklusive sexuellem Verkehr. Mein Outlook ist somit eine Ampel, nur stimmt das Verhältnis irgendwie nicht so richtig. Von dreiundvierzig grünen Kästchen haben wir neunzehn rote miteinander geteilt. Scheiß grüne Welle, ich wünsche mir mehr Rot. Mehr Rot, mehr Edo, mehr … überhaupt. Zurzeit macht er öfter Nachtschichten, während ich um kurz nach fünf meistens schon zu Hause bin, unter die Dusche springe, mich style und wie ein Schulmädchen auf meinem Bett sitze und warte, ob er gegen Mitternacht noch vorbeikommt. Er ist da gerne spontan. Nun ja. An vierundzwanzig Abenden habe ich mich umsonst gestylt, und an zweiundzwanzig von vierundzwanzig Abenden habe ich nicht mal eine Gute-Nacht- SMS von ihm bekommen. Und in der Agentur verhalten wir uns immer noch so, als wären wir bloß Kollegen, das heißt Edo verhält sich so, als wären wir bloß Kollegen, und ich mache mit. Es ist, als wäre ich da irgendwie drin hängengeblieben, in den Zeiten, wo man Kästchensachen offiziell macht, wo man die Kästchen Ja , Nein , Vielleicht ankreuzt. Wir sind keine Kollegen. Ich will endlich von ihm hören, er muss es endlich aussprechen, dass ich seine Freundin bin.
Aber dann, da-ha-hann, nach siebenunddreißig grünen Kästchen, am achtzehnten roten Abend: »Mein Bruder heiratet.«
Mein Herz fängt sofort an so eine Art Gymnastikkür zu vollziehen, mit Salto, Überschlag und vielen bunten Bändern, die zu den Klängen einer schmalzigen Ballade durch die Luft geschwungen werden. Ich überlege, was mein Kleiderschrank zum Thema Hochzeit zu sagen hat. Das macht man ja irgendwie immer, bevor man sich die Erlaubnis gibt, für die Höhe einer Monatsmiete shoppen zu gehen, weil der Kleiderschrank natürlich nicht auf Hochzeiten vorbereitet ist.
»Wann denn?«, frage ich aufgeregt, denn ich müsste vorher auch unbedingt noch zum Frisör. Und die Nägel, oh Mann, die Nägel sehen aus, als hätte ich auf dem Friedhof mit bloßen Händen nach Ringen gebuddelt, die müssten auch unbedingt, unbedingt neu gemacht
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