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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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kann einfach nicht, es tut mir leid.
    »Guck mal, Itsy!«, rufe ich also, bevor ich nachfragen muss und zeige auf meine Stirn. Genau in der Mitte, dort, wo der Vogel wohnt, hat sich über Nacht ein Pickel entwickelt. Einer von den unterirdischen, die niemals gelb werden, die man nicht ausdrücken kann, sondern aussitzen muss. »Ich habe einen Pickel!«
    Nennen wir es Setzung von Prioritäten. Danach kehrt erstmal Ruhe ein, wir improvisieren einen passablen Look und meditieren im übertragenen Sinn vor unseren Spiegelbildern, das Mantra lautet: Schulterzucken, lächeln, weitermachen.
    Am späten Vormittag kommt Steven nach Hause und ist eigentlich nicht von Bedeutung, höchstens ein bisschen amüsant, weil er scheinbar mühelos in jedem Satz »weisischnisch« und »krass« einbauen kann. Er begrüßt Itsy und fragt gleich nochmal nach, ob sie die Itsy vom Timberlake-Konzert sei, aber das liegt bestimmt daran, dass eigentlich auch ich die Itsy vom Timberlake-Konzert hätte sein können. Genauso blond, schlank und ein bisschen Plastik, das kann man schnell mal verwechseln, doch letztlich haben ihn wahrscheinlich seine niedersten Instinkte, die Erinnerung an Itsys riesige Brüste, auf die richtige Fährte geführt.
    »Sag mal, Steven, warum sehen die Zimmer hier alle gleich aus?«, will ich sofort wissen, nachdem wir uns die Hand geschüttelt haben.
    »Weisischnisch, krass, das hat der Verein so eingerichtet halt. Findisch auch krass, voll gleich mit die Arsch-Rosen, Mann. Aber ist ja auch egal.«
    »Ach so«, sage ich und bin beruhigt. Steven ist nicht der Axtmörder.
    Steven ist ein Badewannenstöpsel.
    Am Nachmittag schleppt er uns bei einem Spaziergang durch das Wohngebiet, über den verwaisten Fußballplatz, auf dem er mit der Nachwuchsmannschaft sonst trainiert, über Wiesen und Felder. Nicht mal zu Hause ist es so dröge wie hier, und so stapfe ich in meinen Pradas, auf denen sich das Erbrochene mittlerweile so eingebrannt hat wie die Bologna gestern Abend in den Kochtopf, über dieses unendliche Nichts und heule kaum merklich hinter meinen dunklen Sonnengläsern. Ich denke an Edo und kann es immer noch nicht fassen. Er ist es wohl wirklich nicht wert, aber das wäre leichter einzusehen, wenn ich wirklich Spaß und in Steven vielleicht sogar noch einen Traummann kennen gelernt hätte. Dann würde ich hierbleiben und Gemüse anbauen oder so. Oder wenn es hier wenigstens etwas zu tun gäbe: Boutiquen leerkaufen, irgendwelche It-Clubs – keine Ahnung. Jetzt ist es sogar schon Manchester. Und es hätte doch wirklich Stil, wenn man damit angeben könnte, seinen Liebeskummer im Ausland kuriert zu haben. Aber was passiert? Ich lande am Stadtrand. Im unendlichen Niemandsland. Das Schicksal muss wirklich sehr viel Spaß mit mir haben.
    Abends sitzen wir im Wohnzimmer und schauen fern. Der Kamin funktioniert immer noch nicht, aber ich lasse Itsy und Steven unbeteiligt über alle möglichen Gründe spekulieren. Das Holz ist eben ein bisschen nass. Hm. Blöd. Vielleicht hat es in den Kamin geregnet. So was passiert. Doppel-Hm, weisischnisch, krass. Ich starre auf den Bildschirm. Es läuft die englische Version von Big Brother , und ich wäre jetzt auch gerne Big Brother. Oder Gott. Irgendeine Allmacht, die in alle Häuser gucken kann. Dann wüsste ich nämlich, was Edo so macht. Der Akku von meinem Handy ist leer, und im Augenblick ist das mein einziger Trost. Vielleicht hat er sich ja gemeldet. Ich könnte mindestens ein Dutzend Anrufe und SMS verzeichnen, die alle darauf hinauslaufen, dass er mich furchtbar vermisst und gemerkt hat, dass wir keine Affäre haben. Oder so.
    »Dass sisch die Leud immer so in irgendwas reinsteigern müssen. Weisischnisch, krass«, kommentiert Steven zwei Kandidaten, die sich um einen beschissenen Apfel streiten, und hat Recht. Der Schwebezustand. Ich bin ein Depp. Wir sind abgestürzt. So ist es und nicht anders. Das letzte bisschen Stolz federt meine unsanfte Landung ab, und ich nehme mir vor aufzustehen. Aufstehen, meine blauen Flecken ignorieren und irgendwie weitermachen. Auch ohne … wie hieß er doch gleich?
    Als ich am Sonntag im Flieger sitze, nüchtern diesmal, fühle ich mich annähernd gut. Nach der Landung gehen Itsy und ich Steak essen und tun so, als ob wir unglaublich erlebnisreiche Tage in Manchester hinter uns hätten. Wir verabschieden uns und nehmen uns vor, die Tage einen neuen Club auszuprobieren, den ein Bekannter von ihr gerade eröffnet hat. Ich bin zurück in meinem

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