Banalverkehr - Roman
Mops.« Doch ich schätze, wenn man erwachsen wird, hält man so was eher förmlich. Und alles andere hätte auch ihrem Niveau nicht entsprochen. Mittlerweile verstehe ich das, wenn ich mir richtig Mühe gebe, aber vor allem lässt es mich kalt. Also, nicht in dem Sinne, dass ich mich nicht für sie freuen könnte, aber das Mitfreuen geht ohne Anstrengung und erfordert keine betäubende Gegenmaßnahme in Form von Alkoholrausch und anonymem Sex. Ich mache also mit, demonstriere erwachsene Förmlichkeit und Niveau und kaufe eine hässliche Karte mit einem Storch, der ein pausbäckiges Moppelkind in einer Windel im Schnabel trägt. »Die besten Wünsche zur Geburt« steht in geschwungenen Buchstaben darunter. »Alles Gute den frischgebackenen Eltern und der kleinen Charlene. MfG, Puppe« schreibe ich rein. Ich kaufe rosa Babysöckchen in einer Größe, die mir absurd vorkommt (Edo könnte sie spitze als Eierwärmer anziehen), und lege sie der Karte bei.
Nachdem ich den dicken, braunen Briefumschlag in den Kasten geworfen habe, überkommt mich ein seltsames Gefühl. Lenes Baby ist da, meins wäre in drei Monate geboren worden. Meine Erbse. Bald hätte ich blaue Eierwärmer kaufen müssen. Es tut ein bisschen weh, nach langer Zeit tut es wirklich wieder ein bisschen weh. Und deswegen haue ich dem gelben Briefkasten eine runter. Das hat er nicht verdient, aber er erträgt diesen kurzen Ausbruch tapfer, und danach geht es mir wieder gut. Ich habe ja immer noch Edo. Und wenn Erbse nicht gestorben wäre, wäre ich jetzt wohl nicht mit ihm zusammen, sondern säße dick und rund und mit Brokkoligratin auf dem Teller neben Lutz vor dem Fernseher. Sollte das alles irgendeinen Sinn ergeben, dann müsste Erbse für Edo gestorben sein, und es wäre nicht umsonst gewesen.
»Du hast dich verändert«, bemerkt Itsy, die mich gebeten hat, sie auf eine Geburtstagsparty von irgendeinem Kerl zu begleiten. Sie ist scharf auf ihn, weil er der Sohn reicher Eltern ist und einen Mustang fährt. »Der würde super zu meiner neuen Chaneltasche passen«, hat sie gesagt. »Der Typ oder der Mustang?«, hab ich gefragt, obwohl ich weiß, dass es nicht um den Typen geht. Er hat kein Gesicht, nur einen Schwanz und einen Mustang.
»Ich komme nicht mit.«
Itsy schüttet ein paar Kartoffelecken aus einer kleinen Schale auf ihren Teller und gibt sie an mich weiter. »Sour Cream?«
»Ja, bitte.«
»Ich find’s ja toll, dass das mit dir und Edo jetzt wohl doch hinhaut, aber irgendwie ist es auch schade, dass wir uns nur noch so selten sehen.« … jetzt wohl doch hinhaut … Ich habe ihr bis heute nichts von der Affäre erzählt, aber nachdem wir uns in Manchester fast richtig angefreundet hätten, scheint sie mich mittlerweile auch fast richtig zu kennen.
»Wir sehen uns so ziemlich jede Woche!?«
»Zum Essen«, sagt sie und rollt mit den Augen, sodass man für einen kurzen Moment nur das Weiße von den Augäpfeln sieht. »Dieses Scheiß-Pärchending, ehrlich.« Ich überlege ernsthaft, was ich ihr überhaupt von Edo erzählt haben könnte. Außer, dass er toll ist, grübel , ich glaube, ich bräuchte mal ein paar beispielhafte Flashbacks …
FLASHBACK – ca. zwei Wochen zuvor.
Location: Steakhouse
(Wir bräuchten hier bitte mal eine Colour Correction, Sepia, kein Schwarz-Weiß, danke!)
Itsy: Was grinst du so?
Ich: Ach, wegen Edo … Gestern Abend war er da, und …
Itsy: Lass mich raten: Er ist toll.
Ich: Ja, er ist toll.
Itsy: Na, toll. Sag mal, hab ich dir eigentlich schon von Carlos erzählt?
Ich: Der, der aussieht wie der Lover von Madonna?
Itsy: Ja, genau der. Der hat aber auch ein Gerät!
FLASHBACK – ca. eine Woche zuvor.
Location: Steakhouse
(immer noch Sepia)
Itsy: Was guckst ’n so böse?
Ich: Ach, wegen Edo. Gestern Abend ist er nicht gekommen, und …
Itsy: Hab ich dir von Gino erzählt? Der kommt immer!
Alles klar, weg mit dem Farbeffekt. Zurück ins Steakhouse – heute.
Nein, ich habe das Gefühl, dass Itsy weitestgehend von einem Scheiß-Pärchending verschont geblieben ist.
»Ich will mal wieder richtig mit dir feiern gehen!« Aha!
»Mit mir oder einfach nicht alleine?«, frage ich, weil ich nun weiß, worum es wirklich geht, und vor allem, wie es sich anfühlt. Alleine kommt man sich immer irgendwie schäbig vor, aber zu zweit ist es ein Ausgehen mit einer Freundin, das vielleicht, zufällig, komischerweise und haste-nicht-gesehen ein bisschen aus dem Ruder laufen kann. »Also?«
Itsy schiebt sich eine
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