Banalverkehr - Roman
wieder eine Verbindung einzugehen, die mehr fordert als unbedeutendes Gekicher und belanglose Gespräche und die mir, sollte sich der Knoten jemals lösen, den Boden unter den Füßen wegziehen könnte. Ich frage nicht nach. »Findest du meine Brüste eigentlich zu klein?«, frage ich stattdessen.
»Keine Ahnung. Findest du sie denn zu klein?«
»Keine Ahnung …«
Und dann will Itsy wissen, ob ich noch Nudeln will, und ich atme auf. Ihr Gesicht ist wieder in Farbe, ihre Stimme quietschig, und nichts ist mehr von Bedeutung. Schulterzucken, lächeln, weitermachen.
Es gibt tatsächlich sechs (!) Schlafzimmer in diesem Haus. Und alle sehen gleich aus. Ich referiere darüber, dass es nicht normal sein kann, sechs gleiche Betten mit sechsmal den gleichen roten Baumwollrosen zu beziehen, und plötzlich sind wir uns nicht mehr so sicher, ob Steven hier wirklich wohnt oder ob wir doch auf einem Filmset gelandet sind. Oder es ist das Haus von jemand ganz anderem, und Steven wusste nur zufällig, dass der Schlüssel unter der Fußmatte zu finden ist. Es gibt so viele Möglichkeiten, und alle sind unheimlich.
»Wir können hier nicht bleiben, das ist ein Horrorfilm«, sage ich, weil ich als Einzelkind multimedial versaut sein und sämtliche Horrorfilme kennen muss, von denen einer bestimmt auch genauso angefangen hat wie das hier.
»Welcher soll denn das sein?«
»Weiß ich jetzt auch nicht, aber was, wenn wir uns hinlegen, und mitten in der Nacht steht ein Axtmörder vor unserem Bett? Mit einer Axt! Oder Steven selbst ist der Axtmörder! Mit der Axt!«
»Ja, ein Axtmörder«, Itsy kratzt sich am Kopf und schlägt dann vor, die Schränke nach Spuren eines nicht-fiktiven Lebens zu durchsuchen, und tatsächlich finden wir in einem der Zimmer Sexmagazine und Kleidung im Schrank, die zu einem zwanzigjährigen Ghettojungen passen könnten.
»Hier!«, ruft Itsy und wirft mir Boxershorts zu, die mit den Simpsons bedruckt sind. »Dein neuer Schlüpfer!«
Edo hat auch solche, und instinktiv drücke ich den Stoff an meine Nase, um daran zu schnüffeln.
»Puppe!?«
Ich lasse die Shorts fallen. »O. Also, das war jetzt nicht so, wie es aussah.« Ich lasse mir noch ein T-Shirt aus der Mannemer Straßenkollektion reichen und verschwinde im Bad, um mich umzuziehen. Edo hat sich bis jetzt nicht gemeldet, ich weiß nicht mal, ob er gut gelandet ist. Aber warum sollte er sich auch melden? Ich bin ja schließlich nur seine Affäre.
Als ich aus dem Bad komme, hat Itsy im Wohnzimmer den Platz vor dem Kamin mit sämtlichen Baumwollrosen ausgelegt und präsentiert unser axtmörderfreies Schlafgemach.
»Und guck mal hier!«, sagt sie und greift nach einem Schürhaken, der vor dem Kamin in einer Art Schirmständer steht. »Wenn der Axtmörder kommt, ziehen wir ihm einfach eins über!« Das ist irgendwie süß, und ich drücke sie dafür, obwohl sie immer noch nicht Lene ist.
Bevor ich einschlafe, frage ich, wann wir eigentlich zurückfliegen.
»Sonntagnachmittag.«
Damit habe ich nun also zwei Tage, um mich zu entlieben.
Am nächsten Morgen habe ich natürlich einen Kater und das Gefühl, alles um mich herum riecht nach Erbrochenem. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass ich nur auf den Teppich und in den Kamin gekotzt habe, irgendwie stinkt das ganze Haus, aber ich lasse mir nichts anmerken, und Itsy sagt nichts. Wir gehen gleichzeitig duschen, denn natürlich gibt es in diesem Haus auch mehrere Bäder, quetschen Stevens Boxershorts in unsere engen Jeans, und ich mache Witze darüber, dass wir aussehen wie diese Ladymen aus Thailand. Itsy war schon mal in Thailand und hat dem Jadebuddha die Füße geküsst, seitdem ist sie bekennende Buddhistin und meditiert jeden Morgen vor einem kleinen Schrein, den sie im Tempelsouvenirshop gekauft hat. Er ist grün. Der Schrein. Unnötig zu erwähnen, dass man sehr viel Ruhe braucht, wenn man einen Kater hat. »Du hast doch auch getrunken. Merkst du denn gar nichts?«, frage ich, während ich vor dem großen, goldverschnörkelten Spiegel im Flur stehe und das Lipgloss aus meiner Handtasche zu Rouge umfunktioniere, und es ist schon nicht mal mehr ein Wink mit dem Zaunpfahl, eigentlich wäre es mir ganz lieb, ich könnte sie damit für eine Weile k. o. hauen. Wegen der Ruhe.
»Ich bitte dich, Püppileinlinchen. Wenn du wüsstest, was die gemeine Itsy so alles verträgt. Ich könnte dir da was erzählen …« Sie steht hinter mir, und ihr Lächeln im Spiegel könnte auffordernd sein. Aber ich
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