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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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pakistanischen Fahrer singe, wie sie mir später erzählt.
    Ich komme zu mir, als ich versuche aus dem Taxi zu krabbeln, und kurz darauf stehen wir vor einer Haustür. Itsys Freund ist heute bei einem Auswärtsspiel und kommt erst morgen zurück. Den Schlüssel hat er uns unter der Fußmatte hinterlassen, und ich denke, dass das ziemlich unvorsichtig ist. Vielleicht gibt es in England kein Aktenzeichen XY , oder diese Gegend hier, die außer den immergleichen verklinkerten Hausfassaden nichts zu bieten hat, ist für Einbrecher einfach nicht attraktiv genug. Man hat halt seine Ansprüche, das verstehe ich völlig.
    »Was ist denn das eigentlich für ein Typ?«, frage ich, bevor Itsy den Schlüssel im Schloss drehen und aufschließen kann.
    »Der kommt aus Mannheim, ›Mannem‹ sagt er immer, hihi, und ist halt so ein Ghettojunge, der total geil kicken kann. Oder so.« Oder so klingt ja immer sehr danach, dass man jemanden richtig gut kennt. Und Itsy kennt ihn natürlich richtig gut. Seit dem Justin-Timberlake-Konzert letztes Jahr. Ich versuche nicht darüber nachzudenken, dass wir gerade dabei sind, bei jemandem einzuziehen, den Itsy gerade mal siebzig Minuten plus Zugabe kennt, und lasse sie endlich die Tür aufmachen. Was soll’s? Ich bin ja immer noch angetrunken und deswegen: We all live in a yellow submarine … Und jetzt alle! Einer geht noch, einer geht noch rein … Also ins U-Boot.
    Während ich anscheinend also immer noch ziemlich besoffen bin, erwartet uns hinter der Tür die Kulisse eines Rosamunde-Pilcher-Films. Und den Gedanken, dass ein zwanzigjähriger Ghettojunge sich abends in einen geblümten Ohrensessel vor den heimeligen Kamin kuschelt, auf dessen Sims viktorianisch anmutende Kerzenleuchter stehen, finde ich so amüsant, dass ich glatt nochmal ein bisschen Galle auf dem dicken Perserteppich verteile.
    »Puppe, du musst endlich aufhören überallhin zu kotzen!«, ruft Itsy und rennt über das Set, auf der Suche nach einer Küche und etwas Zewa.
    »Wow!«, höre ich kurz darauf und folge der Stimme. Die Küche ist im Landhausstil eingerichtet, genau wie Rosamunde es angeordnet hatte, und glänzt dermaßen, dass wir spontan davon ausgehen müssen, dass zwanzigjährige Ghettofußballer abends wohl doch eher Pizza bestellen, als sich selbst am Herd zu verausgaben.
    »Wie kann der sich das leisten?«, frage ich, und Itsy sagt, dass der Verein alles stellt, dann fährt sie mit der Hand fast zärtlich über das Feld des schicken Induktionsherdes.
    »Ich muss hier sofort kochen! Lass uns schnell einkaufen gehen!«, sagt sie und hüpft ein bisschen auf und ab, wobei ihre riesigen Brüste ihr fast einen Kinnhaken verpassen.
    WERBEBREAK . (Ist es möglich, den Spot mit dem frühlingsfrischen Frosch zu zeigen? Ja? Toll, danke!)
    Jetzt gehen wir alle mal schnell pullern und nutzen die Zeit, um folgende Merkwürdigkeiten genauer zu betrachten: Ich stehe in der Kulisse eines Rosamunde-Pilcher-Films in Manchester. Im Herzen ein feiger Pauschaltourist, habe ich nichts bei mir, außer dem, was ich am Leib trage, inklusive nach Kotze stinkender Pradaschuhe. Keine Zahnbürste, keinen Wechselschlüpfer, etc.
    Und: Itsy kann kochen.
    Diese Situation hier so ziemlich das Seltsamste ist, was ich je erlebt habe.
    Ach ja: Händewaschen nicht vergessen! Nicht nur Franzi würde das gutheißen.
    BACK FROM BREAK .
    »Jede Hausfrau sollte das können«, sagt Itsy schulterzuckend, und ich gaffe.
    »Weil du ja auch Hausfrau bist …«
    Sie lacht und wirft ihre Haare nach hinten. »Wer weiß. Erzähle ich dir vielleicht später mal.«
    Ich brumme ein »hm«, mehr ist nicht drin, ich bin zu verwirrt, als dass ich mich durch noch mehr Spekulationen noch mehr verwirren lassen sollte. Es könnte sonst gefährlich werden, man weiß ja nie, wie sehr man den gemeinen Verstand strapazieren darf. Könnte mir mal eben jemand in die Zwangsjacke helfen? Da! Es fängt schon an …
    »Okay, gehen wir einkaufen«, murmele ich also und versuche zu lächeln, ohne meinen Mund dabei zu öffnen. Ich brauche wirklich dringend eine Zahnbürste. Meine Zähne sind belegt und bestimmt schon so gelb wie dieses lustige U-Boot, und der Nachgeschmack von Hanutas Reichtümern will auch einfach nicht verschwinden.
    Eine Straße weiter finden wir einen kleinen Laden, vielleicht ist es auch nur ein Lebensmittelgaragenverkauf, aber zumindest gibt es dort das Nötigste: Zahnbürsten, Zigaretten, Spaghetti und anderes Zeug, von dem Itsy überzeugt ist, dass sie

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