Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Land zu fahren und die ganze Zeit Drogen zu nehmen. Da könnte man ja gleich daheimbleiben. Schließlich geht es beim Reisen um «Primärerfahrungen», um richtige Erlebnisse: Natur, Menschen, fremde Kulturen, neue Eindrücke, faszinierende Tempel! Solche Sachen eben …
Aber der Ehrlichkeit halber muss man auch sagen: Es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, Drogen auszuprobieren, die man daheim nie anfassen würde, als eine Reise. Die Droge ist hier aus dem sozialen Kontext herausgerissen, das verringert das Suchtpotenzial erheblich. Für viele Backpacker gehört Opiumrauchen in Laos und Peyotekaktusessen in Mexiko genauso zum Been-there-done-that-Programm wie der Besuch der Pyramiden auf einer Reise durch Ägypten.
Zwar sind in den meisten Ländern Drogen noch illegaler als daheim, aber da die Löhne der örtlichen Polizisten ungleich geringer sind, bewahren 200 Dollar an der richtigen Stelle die meisten Backpacker vor Schlimmeren. Zudem ist nicht selten der Hostelbetreiber auch der Dealer. Man muss sich also nicht wie daheim zu einem unsympathischen, schmierigen Typen auf eine verschlissene Couch vor einen Fliesentisch setzen, um nach und nach in ein Milieu zu rutschen, in dem alle Pickel und schlechte Zähne haben. Der Rausch – sei es Haschisch in Marokko, Kokain in Kolumbien oder Opium in Laos – bleibt geparkt in einem fremden Land, gespeichert im Gehirn an einem Ort, den man wahrscheinlich nie wieder aufsuchen wird. Es gibt längst Einheimische, die sich darauf spezialisiert haben, Wohlstandskindern aus dem Westen die landestypische Droge – meist zu einem überteuerten Preis – zu verkaufen.
Ich will nicht abschweifen, denn eigentlich soll dieses Kapitel von Mohammed handeln, aber eines will ich noch erzählen: In Laos kauften wir Gras von einem älteren, stets freundlich grinsenden Herrn mit grauem Ziegenbart namens Bang, der jeden vorbeikommenden Backpacker mit «Hello, Mister, how are you? You would like to buy some very fine weed?» ansprach. Er war so höflich und freundlich, als seien wir kleine Kinder, denen er Zuckerwatte verkaufen wollte. Tatsächlich erwähnte jemand, Mister Bang sei bis vor einigen Jahren tatsächlich Eisverkäufer gewesen, habe dann aber wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten die Branche gewechselt. Ein paar Kilometer weiter in Vang Vieng verkaufen Hostelbetreiber «Opiumjoints». In Indien gibt es Ketamin in der Apotheke zu kaufen, in Bangkok decken sich Druffis mit Valium ein. Auf den Gili-Inseln bei Bali gibt es «mushroom shakes» für Backpacker, und in Cartagena in Kolumbien soll jedes Hostel einen eigenen Kokaindealer haben. Natürlich hört man immer wieder Abschreckendes über Drogentouristen: In Mittelamerika wird Kokain immer billiger, je näher man Kolumbien kommt. Je geringer die Entfernung zum Ursprungsland der Droge ist, desto öfter trifft man Kokstouristen: 40-jährige Schweizer, die behaupten, «es noch mal wissen zu wollen», und glauben, das funktioniere am besten mit Kokain, und Spanier, die einem lachend erzählen, seit sie eine Nasenscheidewand aus Stahl besitzen, gehe das Koksen noch viel leichter. Hängengebliebene Hippies raufen sich immer an Orten zusammen, an denen Gras und Haschisch im Überfluss vorhanden sind, und versacken für die nächsten 14 Monate dort. Goa in Indien ist ein Sammelbecken für Fans psychedelischer Substanzen.
Es gibt viele Gründe, auf Reisen keine Drogen zu nehmen, und es gibt eben auch sehr viele Gründe, weshalb man gerade auf Reisen Drogen nehmen sollte. Das Setting ist fast immer großartig, und am nächsten Tag lässt man den Ort und die Droge auf Nimmerwiedersehen hinter sich. Einheimische Drogen auszuprobieren ist ein bisschen wie ein One-Night-Stand – unter normalen Umständen läuft man nicht Gefahr, sich zu verlieben. Es bleibt genauso ungewöhnlich und absurd wie eine 48-Stunden-Zugfahrt dritter Klasse: Die würde man sich daheim auch nie antun. Außerdem gibt es kaum bessere Momente, als bekifft auf der Dachterrasse eines blauen Hauses zu sitzen, umgeben von Bergen, zwischen denen sich gerade Gewitterwolken zusammenraufen. In so einer Umgebung einen schlechten Trip zu haben oder gar paranoid zu werden ist eigentlich nicht möglich.
Weil das so ist, sitze ich in der Hölle von Tétouan und warte seit einer halben Stunde darauf, dass der Bus die Riesengarage verlässt und nach Chefchaouen weiterfährt. Ein kleiner Junge steigt in den Bus. Er ist nicht viel älter als acht Jahre. Sein Haar ist staubig
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