Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
sind die Einzigen, die es nicht versaufen.»
«Und selbst bei denen weiß man es nicht», sagt Patrick. «Ich habe mal von einem Alkoholiker gehört, der sich als alte Frau verkleidet hat.»
«Viel besser ist es, an UNICEF zu spenden. Da kann man sich wenigstens sicher sein, dass die das Geld sinnvoll verwenden.»
Zwei Kellner in Grandhoteluniform kommen und bringen zwei gegrillte Hühner und einen gewaltigen Berg Gallo Pinto sowie zwei Bier. Das Essen kostet vier US-Dollar.
Das Elend in den Ländern des Banana-Pancake-Pfades ist ein Kreuz. Leider geht ein niedriges Preisniveau fast immer mit einer sehr hohen Armutsquote einher. In Südamerika, Mittelamerika, Marokko, Südostasien, Indien – überall dort, wo man als Westler für 20 Euro am Tag wie ein kleiner König leben kann, wimmelt es von Bettlern, die sich auf weiße Touristen spezialisiert haben. Am schlimmsten ist es in Indien, weil Bettler in Indien eine eigene Kaste bilden. Und wenn jemand in eine Bettlerkaste hineingeboren wird, dann – denken die Inder – muss er eben ein guter Bettler sein, um im nächsten Leben als Ingenieur wiedergeboren zu werden. Auf jeden Fall macht es für jemanden, der in die Bettlerkaste hineingeboren ist, überhaupt keinen Sinn, irgendetwas anderes zu versuchen. Er ist als Bettler geboren, und deswegen bettelt er. In Indien steht man dem Elend am gleichgültigsten gegenüber, weil sich auch die Inder um das Elend einen Dreck kümmern. In Mumbai liegt unter den Ständen, auf denen Händler schwarzgebrannte CDs verkaufen, ab und zu ein Mensch herum. Man weiß nicht, ob er gerade schläft, stirbt oder etwas sucht. Das ist schlimm, aber noch schlimmer ist, dass es die Standverkäufer am allerwenigsten interessiert.
In Lateinamerika ist das Elend aggressiver. Nachts kann man nicht zu Fuß durch die Straßen gehen, weil früher oder später ein unfreundlicher junger Mann erscheint und ein Messer zieht. Gijs, ein Holländer, den ich in Panama treffe, ist in den letzten zwei Wochen viermal ausgeraubt worden.
«Irgendwann kriegt man Routine», sagt er. «Wenn du nachts ausgehst, nimmst du etwa 20 Euro mit und steckst sie in die Hosentasche. Kommt ein Räuber, drücke ich sie ihm schnell in die Hand, und er läuft weg.»
Außerdem sieht man in Großstädten wie Managua oder Tegucigalpa Kriegskrüppel beim Betteln. Manche tragen noch ihre Armeeuniform und grinsen den Reisenden so aggressiv an, dass er befürchten muss, gleich mit einer Machete aufgeschlitzt zu werden, wenn er kein Geld rausrückt. In Thailand, Laos und Kambodscha sind die Bettler devot und oft außerordentlich freundlich. Sie begrüßen den Reisenden mit: «Hello, mister, I am very sorry for bothering you, but you maybe have a little money for me?» In China schleifen manche Eltern ihre Kleinkinder spätnachts vor die Clubs, in denen die Reichen feiern, um Mitleid zu erregen.
Viele der Länder, die der Banana-Pancake-Pfad durchläuft, sind bettelarm. Das heißt: Die Menschen leben von ein paar Euro am Tag. Es gibt keine nennenswerten sozialen Sicherungssysteme. In Deutschland muss tatsächlich kein Mensch betteln, weil dank oder vielmehr trotz Hartz IV in Deutschland niemand verhungert. In Nicaragua, Kambodscha oder Indien kann das aber tatsächlich passieren. Kinder ohne Eltern, Alte ohne Kinder, Frauen mit Kindern, aber ohne Männer oder Männer ohne Füße haben ein Riesenproblem. Niemand bettelt freiwillig, es sind die Umstände, die diese Menschen dazu treiben.
Die Geber-Menschen aus dem Norden und Westen der Erdkugel haben in Ferienjobs ein paar tausend Euro auf die Seite gelegt. Sie können sich einen Flug um die halbe Welt leisten, um drei Monate lange nichts zu tun. Sie haben iPods und iPhones, Digitalkameras und Laptops, Northface-Jacken und Low-Alpine-Rucksäcke. Sie schlafen in Hotels, essen jeden Tag in einem Restaurant, sie trinken Bier und haben Sex, ohne gleich jemanden heiraten zu müssen. Sie waren länger als vier Jahre auf einer Schule und wissen, wie man eine E-Mail schreibt. Sie haben Eltern, die im Notfall alles tun würden, um sie aus dem letzten Winkel der Erde nach Hause zu holen. Und diese Menschen denken ernsthaft darüber nach, einem Bettler ein oder zwei Euro zu geben?
Ja. Weil die Sache eben doch nicht so einfach ist. Oft sind Bettler organisiert. Gerade Kinder müssen meist den Großteil ihrer Almosen an einen Bandenboss abgeben. In dem Film Slumdog Millionär wird ein kleiner Junge geblendet, weil er als Blinder mehr Ertrag
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