Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
und struppig, sein Gesicht geschwärzt von Abgasen und Ruß. Ein Höllenjunge. Auf seinen Armen trägt er eine imposante Menge Kekspackungen, Zahnpastatuben, kleine Wasserflaschen, Zigaretten und Kaugummipackungen. Er ruft mir etwas auf Arabisch zu, das ich nicht verstehe, und schleudert mir eine Packung Kekse an den Kopf. Ich lege ihm die Kekse vorsichtig zurück in die Arme. Der Höllenjunge schreit nun noch lauter auf Arabisch, es hört sich an, als verfluchte er mich und meine Kinder und die Kinder meiner Kinder. Er wirft mir die Kekse vor die Brust und sagt auf Französisch: «20 Dirham! 20 Dirham!»
Ich antworte «Non, merci» und gebe die Kekse erneut zurück. So geht das noch einige Male, bis sein Repertoire an Flüchen aufgebraucht ist und mein Widerstand dagegen erlahmt, einem achtjährigen Jungen, der das Pech hat, in einer Autogarage zu leben, eine Packung Kekse für vier Euro abzukaufen. Er verschwindet, und ich öffne die Packung, aus der nichts als ein Haufen Brösel quellen.
Kurz darauf erscheint ein freundlicher, älterer Herr. Er ist sehr groß und trägt ein Sakko. Würden ihm nicht die beiden vorderen Schneidezähne fehlen, er strahlte tatsächlich Seriosität aus. Der Mann kommt durch den engen Mittelgang des Busses auf mich zu, bleibt vor mir stehen und gibt mir die Hand. Er stellt sich mir als «el patrón de station de autobuses», als den Herrn dieses Busbahnhofs vor. Der Höllenvorsteher grinst und sagt in einem eigenartig klingenden Kauderwelsch aus Französisch und Spanisch, er habe gesehen, wie ich mit Mohammed Haschisch geraucht hätte. Ich bin verdutzt und muss erst überlegen, sage dann aber, dass das nicht sein kann, weil ich Mohammed gar nicht kenne.
Der Patrón zieht die Augenbrauen in die Höhe, entblößt seine gewaltige Zahnlücke und sieht mich mit großen Augen an: «Willst du damit sagen, dass Mohammed ein Lügner ist?»
«Auf keinen Fall», beteure ich, «ich kenne bloß keinen Mohammed.»
«Mohammed aber hat gesagt, er hätte mit dir» – er stößt mir seinen Zeigefinger vor die Brust –, «mit dir Haschisch geraucht.»
Ich sage, ich würde bei Allah dem Allmächtigen schwören, dass das wirklich vollkommen unmöglich ist, da ich wirklich noch nie einen Menschen namens Mohammed kennengelernt habe.
Das sei jetzt auch egal, meint der «patrón de station de autobuses». Auf jeden Fall müsse ich eine Sicherheitsgebühr entrichten, sonst werde er der Polizei erzählen, dass ich mit Mohammed Haschisch geraucht habe.
«Das kann nicht sein!», rufe ich wieder. «Ich kenne doch gar keinen Mohammed.»
Aber da hat sich der Patrón schon umgedreht und verlässt mit einem Höllenlachen den Bus.
Die Polizei kommt nicht, stattdessen hastet zehn Minuten später ein junger Mann mit Dreck im Gesicht durch den dunklen Bus zu meinem Platz. Er sieht weder freundlich noch seriös, noch frech, sondern einfach nur unsympathisch aus. Er sagt nicht hallo und stellt sich auch nicht vor. Stattdessen hält er mir einen tischtennisballgroßen Klumpen Haschisch vor die Nase. Er sagt, er habe vom Patron gehört, ich wolle Haschisch kaufen. Ich lehne sein Angebot ab, da ich mich an dieser Stelle bereits fühle wie im falschen Film, und das ist mir nicht geheuer. Tatsächlich verschwindet der junge Mann mit dem dreckigen Gesicht wieder.
Es kommen zwei Kinder, die um einen oder zwei Dirham betteln, und schließlich erscheint die alte Frau mit ihren vollzählig versammelten Hühnern und lässt sich neben mir auf den Sitz fallen. Ich bin wieder zwischen Fenster und Berberin nebst Federvieh eingequetscht, aber jetzt folgen nach und nach alle übrigen Passagiere. Die zwei Berber haben sich wieder vertragen, sie nehmen Arm in Arm Platz, jemand fragt den Busfahrer, ob er auch seine Ziege mitnehmen könne, und dann setzt sich der Bus tatsächlich in Bewegung. Wir verlassen die Hölle von Tétouan. Wir sehen wieder Tageslicht.
Die Berberfrau streichelt mit ihrer dicken, schwieligen Hand einen Hahn. Sie sieht mich an und sagt mit tiefer, rauer Stimme: «Sein Name ist Mohammed.»
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«Mother dead, father dead, brother dead»
Ort: Granada, Nicaragua
«Der Hanuman Temple am Ortseingang von Pushkar. Am Fuss lagern Obdachlose, von denen es hier so viele gibt, dass ich über sie hinwegschaue.»
Michael [11]
Das mit dem Elend auf Reisen ist scheiße. Die Armut um einen herum, die Bettler mit ihren Arm- oder wahlweise Beinstümpfen, die Kinder mit den großen Augen und vom
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