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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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den er in Tijuana getroffen hat. Der wiederum habe berichtet, er sei in Ägypten über einen Basar geschlendert. Als er auf die Frage eines Verkäufers, woher er komme, «Deutschland» geantwortet habe, sei dieser plötzlich unterwürfig freundlich geworden. Er bat den Mann in sein Geschäft, öffnete eine Tür zu einem Hinterzimmer und meinte, er müsse ihm unbedingt etwas ganz Besonderes zeigen. «Hitler, Hitler», flüsterte der Ägypter immer wieder und zog dann ein Tuch von einem gerahmten Bild. «Hitler, good man, very good man!» Auf dem Bild: Charlie Chaplin in seiner Rolle «the great dictator».
    Wir lachen, trinken noch einen Rum, und dann tanzen wir zu einem der unzähligen Salsaschlager, die «el corazón» besingen und mich seit Wochen um den Verstand zu bringen drohen. Jurek küsst das Mädchen mit den fehlenden Schneidezähnen. Oder ist es die mit den Wollhandschuhen? Ich weiß es nicht, es ist mir egal, denn ich tanze mit der einzig gutaussehenden Person in dieser Bar. Ihr Körper ist schlank, ihre Augen so schwarz wie ihre lockigen Haare, ihr Blick entschlossen, tiefgründig und fest. Wir tanzen, wir küssen uns. Ich sehe die älteren Männer neben mir grinsend die Köpfe schüttelnd – vor Neid, vor Bewunderung, vor Anerkennung. Es ist alles perfekt. Einer der Männer bricht lachend auf seinem Stuhl zusammen. Ein anderer brüllt: «Andarle, gringo!»
    Sie sieht mich an mit ihren großen, schwarzen Augen und stößt mir ihre Zunge tief in den Hals. Ich küsse die schönste Frau dieser Reise! Ihre Zunge wühlt in meinem Mund herum. Ihre Küsse werden fordernder, fast schon aggressiv, könnte man sagen.
    Ich habe das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Ich sehe zu Jurek hinüber, der gerade so etwas wie Salsatanzen versucht, was ihm offenbar nicht liegt. Das Mädchen und ich gehen nach draußen. Wir schlendern Hand in Hand vorbei an bunten Kolonialvillen, gehen zum Hafen. Der Mond spiegelt sich auf dem See. Es ist romantisch, nur ihre Hand kommt mir für eine Frauenhand erstaunlich groß vor.
    «Du hast große Hände», sage ich.
    «Das liegt daran, dass ich eigentlich ein Mann bin.»
    Mein Magen rumort. Ich rauche eine Zigarette, dann noch eine, dann ist mir schlecht.
    «Ein Mann? Wie?»
    «Und jetzt?», fragt sie oder er.
    «Estoy mal», sage ich.
    «Disculpa.»
    «Passt schon», sage ich und kotze ins Hafenwasser.
    Sie ist verschwunden. Allein gehe ich zurück zur Bar. Als ich ankomme, sehe ich Jurek draußen vor der Tür. Ein halbes Dutzend Männer, die er um einen Kopf überragt, zerren an den Ärmeln und Ende eines seiner beiden einzigen T-Shirts.
    «Alle sind weg. Niemand hat gezahlt. Wir müssen alles bezahlen.»
    Wir begleichen tatsächlich die gesamte Rechnung aller Gäste, die an diesem Abend in der Bar waren, was nach westlichen Maßstäben noch immer ein lächerlich geringer Betrag ist. Schlimmer wiegt das Gefühl, in mehrfacher Hinsicht verarscht worden zu sein. Von unserem letzen Geld kaufen wir zwei Flaschen Rum und gehen auf unser Hotelzimmer.
    Als wir am nächsten Tag aufwachen, steckt das Bettlaken im Klo, der Boden ist mit Scherben übersät. Es stinkt nach Rum und nach einem anderen, schwer definierbaren organischen Material. Jurek sagt, wir sollten die Stadt verlassen. Ich bin froh, dass ich nicht allein bin. Wir fahren zusammen ans Meer.

[zur Inhaltsübersicht]
    Wer ist Mohammed?
    Ort: Tétouan, Marokko
    «New arrivals should ignore late-night offers of hashish and grass – these dealers have a sixth sense for greenness, and won’t miss an opportunity to squeeze ridiculous amounts of money out of frightened people.»
    Lonely Planet Morocco    [10]

    Ich glaube nicht an den Himmel und deshalb auch nicht an die Hölle. Aber wenn es die Hölle gibt, dann stelle ich mir sie so vor wie den Busbahnhof von Tétouan. Tétouan ist eine Stadt, in die niemand will, aber mancher kommt, weil die Busse von Tanger auf dem Weg nach Chefchaouen im marokkanischen Rif-Gebirge dort einen Zwischenstopp machen. Unser Bus fährt in eine gewaltige, dunkle Betonhalle. Mindestens 40 Busse stehen hier schon. Kein Fahrzeug wird bewegt, aber alle Motoren laufen. Es stinkt, es ist dunkel, es ist laut. Die Wände der Halle sind schwarz vor Dreck, nur im hinteren Teil dringt durch ein paar schmale Fenster Licht. Alle Marokkaner verlassen den Bus. Niemand sagt, warum wir hier sind, und vor allem nicht, wann wir wieder losfahren. Immerhin läuft der Motor des Busses noch, was die Hoffnung nährt, dass wir

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