Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
kleiner Hund knurrte uns an. Am Ende des Raumes lachte eine Chinesin um die 40 mit sehr schwarzen Zähnen und bat uns in den Garten. Die Gruppe aus zwei Dreadlockträgern, zwei Glatzköpfen und zwei sehr hübschen israelischen Mädchen bot uns sofort zwei Stühle an und versorgte uns mit Bier und Gin Tonic. Wir redeten wenig, und das war vollkommen in Ordnung.
Am zweiten Abend saßen dieselben Leute rund um den kleinen Gartentisch, tranken Bier, rauchten Joints und redeten wieder wenig. Am dritten Abend begrüßten wir uns schon mit Namen, und heute, am vierten Tag, ist es, als hätten wir zusammen die Hälfte unseres Lebens hier verbracht. Dylan ist ein Australier mit meterlangen Dreads, der hier seit vier Jahren lebt. Der Spanier Miguel hat auch Dreadlocks und schwärmt von Berlin Minimal Techno. Ihn hat es vor einem halben Jahr hierher verschlagen. Sein Visum ist vor drei Monaten abgelaufen, aber er meint: «Hier interessiert das keinen.» Außerdem sitzen noch ein Deutscher und ein Amerikaner am Tisch. Letzterer heißt John, ist seit zwei Jahren hier und sagt, sein Lieblingslied sei «I am loser, baby» von Beck. Der Deutsche sieht aus, als käme er aus der Sächsischen Schweiz und wäre rechtsradikal. Ist er aber nicht.
Es gibt Orte auf der Welt, die so perfekt sind, dass immer wieder Reisende dort hängenbleiben. Dort gibt es meistens einen See oder ein Gebirge – am besten beides – oder natürlich einen Strand. Die Landschaft ist so geil, dass man mehrere Stunden am Tag nur mit Schauen verbringen kann. Es muss billig sein, sonst kann man sich das Hängenbleiben nicht leisten, und idealerweise sollten auch Cannabisprodukte im Überfluss erhältlich sein (in Dali ist das Business in den Händen alter Frauen, die in ihrer einheimischen Tracht und gebrochenem Englisch das Zeug an Touristen verkaufen). San Pedro in Guatemala ist solch ein Ort, Koh Phangan in Thailand war es früher mal, Indien ist sowieso voll davon, und eben auch Dali in Südwestchina gehört dazu.
Dali liegt in der Provinz Yunnan, die im Süden an Laos und Myanmar und im Westen an Tibet grenzt. Es leben dort sehr viele Minderheiten, was zu betonen der chinesischen Regierung sehr wichtig ist, um keineswegs den Eindruck zu erwecken, die Volksrepublik sei ein von Han-Chinesen dominierter Einheitsbrei. Dali liegt an einem großen, aber doch übersichtlichen See, auf der anderen Seite beginnen die Ausläufer des Himalaja. Wer weiter Richtung Westen fährt, landet früher oder später in Tibet. Dali ist ein Refugium, nicht viele «pauschale» Chinatouristen verschlägt es dorthin, wohl aber Backpacker. Die meisten bleiben einfach länger als geplant: Aus drei Tagen werden sieben, aus einer Woche zwei. Manchmal aber werden aus Wochen auch Monate und aus Monaten Jahre.
Diese Gestrandeten bilden eine kleine Community, die sich untereinander kennt, sich streitet und wechselnde Beziehungen miteinander hat. Die vorherrschenden Frisuren sind Glatze oder Dreadlocks. Jeder Zweite kann Gitarre spielen (das Repertoire beschränkt sich auf diverse Songs von Bob Marley, zwei, drei Revolutionslieder auf Spanisch und «Under the bridge» von den Red Hot Chili Peppers). Sie alle waren einst als Backpacker unterwegs, reisten sechs Wochen durch Thailand, flogen wieder heim und merkten, dass sie keinen Bock mehr auf das Leben dort hatten. Vielleicht hatte das Leben dort auch keinen Bock mehr auf sie. Vielleicht sagte das Leben zu ihnen: «Tut mir leid, mit der Einstellung, die du hast, kann ich nix anfangen. Du willst nix arbeiten, hast keinen Bock auf Karriere, brauchst keine Statussymbole. Geh mal besser anderswohin.» Auf jeden Fall sparten sie etwas Geld und fuhren wieder fort, dieses Mal länger, ein halbes Jahr oder ein ganzes. Als sie das nächste Mal zurückkamen, war die Frustration noch größer. Ihre Freunde von damals arbeiteten in einer Bank, waren verheiratet oder schon wieder geschieden. Das Heimatland wurde zum Hochpreisland, in dem sich schnell viel Geld verdienen ließ, mit dem man wiederum möglichst lange durch Dritte-Welt-Länder reiste. Aber hier leben? Nein, danke!
Die meisten Backpacker wollen trotzdem irgendwann wieder nach Hause. «Über 90 Prozent der Backpacker haben nach einem Jahr ihren Reise-Hunger gestillt», sagt Jana Binder in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung . «Sie freuen sich sogar, diesen Zustand des Driftens zu beenden.» [13] Den restlichen zehn Prozent aber geht es anders: Je länger sie unterwegs sind, desto
Weitere Kostenlose Bücher