Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Zynismus. Das bedeutet zum Beispiel, einen Bettler, der hungernd die Hand aufhält, mit High Five abzuklatschen oder ihm einen angebissenen Big Mäc aus dem McDonald’s in die Hand zu drücken. Zynismus ist aber immer nur ein paar Millimeter vom Arschlochsein entfernt.
Patrick und ich sitzen vor einem riesigen Berg Gallo Pinto, zwei ganzen Hühnern und zwei Flaschen Bier. Es ist zu viel für uns. Die Kellner scheinen stolz darauf zu sein, uns Portionen bringen zu können, von der auch eine Kleinfamilie satt werden kann. Das Ganze kostet uns zusammen acht Dollar.
Ich sage: «All das Elend geht mir genauso auf den Sack wie dieser Reis mit Bohnen.»
Patrick erwidert etwas, das nach dem berühmten Marie-Antoinette-Zitat klingt: «Dann sollen sie doch Kuchen essen.»
Und nun passiert etwas Eigenartiges. Ein kleiner, dreckiger Junge lugt ins Restaurant. Vorsichtig, ängstlich, neugierig. Er sieht, dass wir Huhn und Reis mit Bohnen essen. Sofort läuft ein Kellner zur Tür und schreit den Jungen auf Spanisch an. Der Junge läuft weg, aber schon nach ein paar Minuten ist er wieder da. Wieder späht er um die Ecke der Eingangstür. Die Kellner sind gerade damit beschäftigt, in der Küche Zigaretten zu rauchen. Patrick reißt das Bein seines Huhnes ab und bedeutet dem Jungen, es zu nehmen. Der Junge zögert, zaudert, blickt nach den Kellnern. Er rennt los, auf Patrick zu, und greift sich das Hühnerbein. Noch während er wieder ins Freie läuft, stopft er das Hühnerbein in sich hinein. Jetzt kommen zwei, drei Kinder und grinsen durch die Tür. Ich reiße den Flügel meines Huhns ab und biete es ihnen an. Sie flitzen zu unserem Tisch, nehmen das Essen und flüchten, so schnell sie können. Dann kommt der Junge von vorhin wieder, dann drei andere Kinder, dann fünf, dann neun. Sie stehen um unseren Tisch herum, kichern, betteln, quasseln und lachen, und wir verteilen das Fleisch und den langweiligen Reis mit Bohnen. Patrick formt aus seiner Serviette einen kleinen Sack und schaufelt dort über die Hälfte seiner Portion hinein.
Die drei Kellner schimpfen aus der Küche. Einer von ihnen kommt mit einem Kochlöffel angelaufen und fängt an, den Kindern damit auf den Kopf zu schlagen. Aber die Kinder sind in der Überzahl, und erst nachdem unsere Teller leer sind, gelingt es den Kellnern, sie aus dem Restaurant zu vertreiben.
«Sie hatten Hunger», sagt Patrick zu den Kellnern.
[zur Inhaltsübersicht]
Die Hängengebliebenen
Ort: Dali, China
«But goddammit, I also love a new set of clothes to carry me through the day, and long-term backpacking just isn’t for me.»
Candice Walsh [12]
Es riecht nach Mangos. Nach überreifen, matschigen Mangos. Auf dem kleinen Tisch ringen Bierflaschen um Platz mit einem Aschenbecher, in dem sich Zigarettenstummel stapeln, aber weit und breit keine Mango. Das Licht ist spärlich, und es fällt schwer, etwas zu erkennen, doch auch auf dem Boden: keine Mango.
Bis auf diesen Mango-Matsch-Geruch ist alles verdammt nah dran an der Perfektion. Links erheben sich die Ausläufer des Himalaja, rechts spiegeln sich bei Tag die vorüberziehenden Wolken in einem großen See. Nirgends erscheint der Himmel so nah wie hier, so nah, dass man zum ersten Mal seit Jahren wieder an Asterix und die Gallier denken muss, deren größte Sorge es ist, der Himmel könnte ihnen auf den Kopf fallen.
Wir sitzen in Liz’ Bar, die mehr Garten als Bar ist. Hier sind nur Leute, die zu viel rauchen. Ab und zu sagt einer: «Ah, der Himmel. Er ist so nah, hoffentlich fällt er nicht runter.» Zwei dürre Katzen streichen um unsere Beine und miauen hin und wieder. Eine Hundemutter wacht in einem Zimmer hinter unserem Tisch über ihre gerade geborenen Welpen. Die Luft ist lau, Licht spenden nur zwei Kerzen und der Mond. Zwei Mädchen aus Israel bewundern gegenseitig ihre Ohrringe, die sie heute bei einer alten Frau gekauft haben. Ein Australier namens Dylan dreht sich den nächsten Joint.
Es ist bereits der vierte Abend bei Liz. Liz lacht die ganze Zeit über irgendwas. Meistens weiß niemand, worüber. Man sieht dann, dass ihre Zähne fast schwarz sind – vielleicht hat sie Karies, vielleicht kaut sie aber auch Betelnuss. Der erste Abend war spannend. Wir entdeckten die kleine Bar zufällig bei einem Nachtspaziergang. Gedämpftes Licht drang von drinnen auf die Straße, und leise hörten wir jemanden Gitarre spielen, zwar irgendetwas von Bob Marley, aber immerhin. Vorsichtig betraten wir die leere Bar. Ein
Weitere Kostenlose Bücher