Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Haus hat mehr als zwei Stockwerke.
Thomas raucht noch immer seinen Joint. «Früher, vor den Olympischen Spielen», sagt er, «war alles besser. Da konnte man überall kiffen, sogar in der Bank. Aber dann kam diese ‹Wir säubern China›-Kampagne, und diese Idioten haben das Kiffen überall verboten. Wenn das so weitergeht, muss ich hier weg.»
Eine kleine, sehr alte und sehr verhutzelte chinesische Frau kommt uns entgegen, hält uns ihre Hand hin und murmelt etwas auf Chinesisch. Thomas antwortet etwas auf Chinesisch. «Ich habe kein Geld, das weiß die auch, die kennt mich.»
Der Spanier öffnet die Tür eines einstöckigen Hauses, das die Bar Bad Monkey beherbergt. Er macht das Licht an, stöpselt seinen Laptop ein und ruft begeistert: «Berlin Minimal Techno!»
Thomas und Liz lassen sich auf einer Couch im Innenhof nieder, Dylan schenkt sich und uns Gin Tonic ein, macht auf einem Zettel drei Striche und setzt sich an die Bar.
Das Bad Monkey unterscheidet sich kaum von Liz’ Bar. Hinter einem Raum mit Bar, Couches und Che-Guevara-Postern an der Wand liegt ein Innenhof mit weiteren Couches und vielen Pflanzen. Es hat den Charme eines selten besuchten Jugendzentrums. Die Tür geht auf, drei junge Chinesinnen kommen herein und schreien: «Party!» Eine von ihnen drückt Thomas kurz einen Kuss auf die Wange, worauf der Spanier den Raum verlässt.
«Die war vor einem Monat noch mit ihm zusammen. Dann hat sie ihn für Thomas verlassen», sagt Dylan achselzuckend. «Aber eigentlich war hier jeder schon mal mit jedem zusammen.»
Der Mangogeruch wird noch stechender. Eine der drei Chinesinnen fuchtelt inzwischen mit einem kleinen Beil durch die Luft. Sie zerhackt blitzschnell eine Zitrone in drei gleich große Teile. Ihre Freundin schenkt zeitgleich in drei Gläser Tequila ein. Alle drei schreien wieder «Party!» und kippen den Schnaps hinunter.
Dylan sagt, die Chinesinnen seien froh, mal aus ihren traditionellen Familien herauszukommen; für sie sei das Abhängen mit Backpackern Rebellion und Befreiung. Dylan erzählt, er lebe mit Unterbrechungen seit zwei Jahren hier. Eigentlich stamme er aus Australien, aber nach einer Asienreise habe ihm das Leben daheim keinen Spaß mehr gemacht.
«It is all about money», sagt er. «Outside they are building a crazy world.»
Mit «outside» meint er alles außerhalb Dalis. Zweimal im Jahr, erzählt Dylan, fährt er nach Hause, um beim «fruitpicking» Geld zu verdienen. Er pflückt mit anderen, meist nichtaustralischen Backpackern Kiwis, Orangen und Mangos.
«Letztes Jahr habe ich nur Mangos gepflückt. Es war nicht schlecht, ich konnte immer eine essen, wenn ich Lust hatte.»
Obstpflücker werden nach Kilos bezahlt, was sich für ungeübte Backpacker aus Deutschland fatal auf den Verdienst auswirkt. Geübte Fruitpicker wie Dylan verdienen so etwa 80 australische Dollar am Tag. 3000 Dollar reichen leicht für ein halbes Jahr in Dali.
Thomas setzt sich neben uns und fragt, ob ich aus Deutschland sei.
Die Chinesin beginnt wieder mit dem Hackebeil herumzufuchteln. Die Szene erinnert an den Film Kill Bill von Quentin Tarantino. Thomas sagt, er sei auch mal Deutscher gewesen, er habe sogar noch einen Pass. Das Messer saust herunter auf die Zitrone und hackt drei Scheiben heraus. Die drei Frauen brüllen im Chor «Party!» und kippen den zweiten Schnaps hinunter.
Thomas steht nun am Tresen, dreht einen weiteren Joint und fängt an, seine Geschichte zu erzählen: Er arbeitete in Berlin als Psychotherapeut in einem Behindertenheim. Es lief, wie es eben lief, wenn man ein paar Jahre denselben Job macht – ein bisschen gut, ein bisschen langweilig. Eines Tages fand er heraus, dass ein geistig und körperlich behindertes Mädchen von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht wurde.
«Da bin ich durchgedreht. Ich meine, die hatte ein Auge hier oben, das andere da unten. Die war geistig und körperlich vollkommen durch und dazu erst 14. Wie kann man so jemanden vergewaltigen? Ich habe das nicht begriffen. Mir wurde das alles zu viel. Okay, ich habe auch wirklich viel gekokst zu der Zeit, das kam erschwerend hinzu. Meine Katze mochte mich nicht mehr. Katzen merken das, wenn man kokst. Die riechen das über die Haut.»
Thomas kam selbst in die Psychiatrie und blieb dort sechs Wochen. Dann hatte er keine Lust mehr auf Deutschland. «Ich habe alles verkauft, was ich hatte. Was übrig war, habe ich in einen Rucksack gepackt und bin losgelaufen.»
Wieder saust das Beil auf die
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