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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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Schweinemetzger war ein kleiner Mann mit einem breiten Mund, in dessen Ecken sich ein Schmerzensausdruck niedergelassen hatte, ein steckengebliebener Ausruf über eine Verwundung, die nicht heilen mochte. Er radelte behände, Bierflaschen schepperten im Fahrradkorb, Dreizehn Flaschen sagte er an der Pfandabgabe, ja, dreizehn, erwiderte das Mädchen, und er bekam einen Zettel mit der Pfandsumme. Der Metzger reckte den Kopf vor mit den schön aus der Stirn gebürsteten ergrauten Haaren, schritt mit dem Stolz der Verwundeten. Gelegentlich packte ihn ein großer Verdruss, seine Miene wurde von Stunde zu Stunde finsterer, die Gesten unwillig und zäh, die Stimme dünn. Jeder kleine Schweinefuß, den er ergriff und wog und in graues Papier wickelte, zog ihn tiefer zu Boden, bis er schließlich, und sei es auch mitten am helllichten Morgen, den Schlüssel in der Ladentüre umdrehte. Ich trinke, wann ich will, sagte er, und sperrte die Fleischeshungrigen aus.
    Die Theke war schmierig, dunkel vor Fleischlosigkeit. Die Tür zum schwarzen Kühlraum stand offen, der Fleischer trank. Er saß in der Kneipe, wo die geizige Frau eines Eisenbahnschaffners regierte. Alles in der Kneipe wog schwer, sie sah aus wie ein ausgeschnittenes Katalogbild von einer bäuerlichen Wirtschaft in einem westlichen Land, dabei träumt die geizige Wirtin davon, alle Bäuerlichkeit weit hinter sich zu lassen.
    Auf einer Bank saß der Fleischer und trank sich das Schweinsblut und die borstigen Federschnitzen der Hühnerbeine von den Händen, die graurosigen Flanken und blassweißen Knochensplitter aus dem Sinn, hier vergaß er die hässlichen Wortwechsel, wenn ihm das richtige Wechselgeld für die großen Scheine der Rumänen fehlte, wenn die Kunden seine Hände belauerten, in denen er zitternd die Scheine zerknitterte, als gelte ihm das alles nichts, und wenn sie ihm in die Kasse griffen, ungeduldig und voller Misstrauen, betrüg uns bloß nicht, sagten sie leise in ihrem Ungarisch oder auch nur mit den Blicken, wir wissen ja, dass du uns betrügen willst, und gleichzeitig waren ihnen die Lippen schon feucht vor Freude auf das Schweinerne, das sie erworben hatten, auf dieses dichte, fette Fleisch, auf den blassen Speck und die dunklen Lebern.
    Der Fleischer vertrank ganze Tage in der Kneipe. Durch die Glastür fiel Licht in den zugesperrten Laden und spiegelte sich im matten Metall der leeren Theke. Die Fleischerhaken hingen groß und nackt über dem Thekenglas, die Gläser mit Saurem, die Päckchen mit blassgelben Nudeln dämmerten in einer lichtlosen Ecke. Der Fleischer massierte die schmalen Hände über dem Schnapsglas bis zur Makellosigkeit und grinste, er lauschte auf das Geschwätz und erzählte das Seine, beäugelte die willigen Frauen zwischen den Männern, er konnte auch schmeicheln und sich schmiegen, wenn die Zeit kam heimzugehen, doch zuvor summte er mit geschlossenen Augen ein Lied, halb für den Akkordeonspieler, halb für die willigen Frauen, sein Gesumm hing in der Luft, bis er sagte: Auch dieses Lied gibt es jetzt nicht mehr.
    Der Fleischer ist Jude, sagte einer, und dann noch einer, er heißt Soundso, das ist doch ein jüdischer Name, dabei hätte es ein Name von überallher sein können. Doch sollte der Fleischer Jude sein, so mochte es den Leuten gefallen, so wollten sie sich einen Reim auf die Traurigkeit in seinen Mundwinkeln machen, die am Ende auch nur Spott sein konnte, und auf das Zittern seiner Hände um die Geldscheine, und auf den einsamen Vater des Fleischers, der auf einem großen Fahrrad durch das Dorf radelte und kleinen Geschäften nachging.
    Nach einigen Tagen des Trunkes befreite sich der Fleischer wieder aus Rausch und Seligkeit. Er sperrte den Laden auf, lächelte sein schiefes kummerscheues Lächeln in die Straße hinein und trat hinaus auf den Weg, wo ein Wagen wartete, beherzt nahm er den Fleischbrocken, der ihm aus dem Dunkel des Wagens gereicht wurde, er schulterte die Tierflanke, aus der Knochen staken, wie lose Zähne in einem alten Mund, und trug sie in seinen Laden.

TURNU
    Vom jüdischen Friedhof am Rand von Battonya sah ich zum ersten Mal in weiter Ferne die Berge, jenseits der Grenze. Sie sahen zart aus, als hätte sich ein zerrissener Schleier an den Horizont verirrt, oder als hätte sich ein Traum aus den Ebenen dort hingerettet und an den Himmel geheftet. Wenige schenkten der Erscheinung Beachtung, höchstens in einem beiläufigen Nebensatz, in dem sie das Wetter begutachten oder vorhersagen

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