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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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über der Stuhllehne zu hängen. Wenn er fast vergessen war, meldeten sich wieder kleine Töne, zu denen er einen merkwürdigen Gesang bot. Es war kein Lied, eher ein Sprechgesang über allgemeine Dinge, der sich an wimmernden, maulenden Tönen entlanghangelte.
    Der Horizont lädt ein zum steten Absuchen der Ferne in Erwartung einer unbekannten Veränderung. Das Auge sieht die Sonnenblumen erblühen, verwelken und schwarz werden, starrt über ihr gelbes, braunes, schwarzes Wogen hinweg, dann über den furchigen Sumpf, den sie hinterlassen, der im Winter gefriert und sich mit einer unebenen Schneedecke überzieht. Es verfolgt den Flug der Vögel am Himmel und die fransigen Schatten der Krähenschwärme, die dicht über den äckern und Feldern schweifen, und späht unterdessen immer nach der Möwe, die uns die Botschaft vom Näherrücken des Meeres bringen könnte. Vom Warten verwildert streift es zwischen den Dingen umher, des Betrachtens so müde, dass der Mund die Namen der Dinge vergisst und auf der Suche nach ihnen offen in die Nächte schnappt. Die Finger streifen über die Erhebungen und Mulden im groben Stoff der Decken und dem furchigen Holz der Bettpfosten und erkennen ausgemalte Landschaften. Beim Lauschen auf die Stille, die flach an den Erdboden gedrückt unter der Last eines eintönigen Sausens und Rauschens des Windes stöhnt, meint das Ohr, eine Melodie oder auch nur einzelne Töne zu vernehmen, alle Sinne lehnen sich dann in die Nacht oder den Dämmer und horchen, als hinge das Leben davon ab. Doch bevor noch klar wird, ob dieser Klang wirklich von irgendwo dort draußen ans Ohr gedrungen oder vielmehr eine Ausgeburt der fast erdrückten Stille ist, hört das Ohr ihn schon nicht mehr, ist er versunken, vergangen oder unter dem Druck einer Hoffnung geborsten.

BATTONYA
    Es schneite mehrere Tage. Der Schnee lag hoch, und der Wind blies bitter. Er blies den losen trockenen Schnee zu kleinen Wirbeln, die über die Flächen kreiselten wie die Staubtrichter im Sommer. Am Bahnhof standen die gestutzten Weidenbäume wie schwarze Knäuel vor der großen schneebedeckten Weite.
    An den Markttagen traten die dicken Zigi-Frauen in der Puschkinstraße von einem Fuß auf den anderen, um sich aufzuwärmen, und sie schlugen die Arme um ihren Leib. Zigi, Zigi, raunten sie unaufhörlich durch das dünne Schneegestöber. Der Schnee fiel auf die äpfel in den großen Kisten, die mitten auf dem Markt standen, auf die gelben Kürbisse, die Gläser mit gemahlenem Paprika, mit Honig und grauem Mohn.
    Der Zimmermann Lajos trug den großen Fuchspelzhut, seine blassen Augen wirkten türkis darunter. Die Arbeit blieb aus, es gab keine Dachstühle zu errichten, keine Balken zu stemmen, zu verankern und ineinander zu fügen, keine Treppen zu bauen, nichts, von dem aus er hätte Ausschau halten können. Lajos war taub und blind für die kleinen Arbeiten, die ihm angetragen wurden, für die bescheidenen häuslichen Kleinigkeiten von geringfügiger Höhe, beweglich, ersetzlich und den wechselnden Launen der Besitzer ausgeliefert. Der Zimmermann Lajos schlummerte seinen Winterschlaf unter der Tätowierung und überließ Lajos dem Bändiger das Feld. Stundenlang stapfte er hin und her über den hartgefrorenen Schlamm im Hofgehege, während die schwarzen Hunde ihn umsprangen und sich langsam von seinen scharfen, dahingeworfenen Gesten und kurzen, in die Luft gestoßenen Worten zähmen ließen.
    Morgens und im Abenddämmer kamen die alten Frauen heraus, sie trugen dicke Strümpfe, zwei, drei Röcke übereinander, mehrere Tücher um den Kopf gewickelt, und leerten die Ascheneimer auf den Gehweg vor den Häusern. Der Atem stand vor ihrem Mund und rührte sich nicht.
    Der Pferdekutscher Zoli brachte eine Fuhre Holz und holte den liegengebliebenen Sommerabfall ab. Er trug eine große Schirmmütze, die seine sorgfältig gekämmte Haartolle verbarg, und ein Hinkebein machte ihm zu schaffen. Beim Sprechen kniff er die Augen zusammen, und man sah nur seinen breiten Lächelmund. Das Brennholz lag frisch und rötlich auf dem Schnee, den Zoli und seine Pferde zertrampelt hatten.
    Eines Nachts erhob sich ein heftiger Wind, in kurzer Zeit schmolz der Schnee. Das war ja erst der Frühschnee, sagten die Leute jetzt. Die Füße versanken bis zu den Knöcheln im Schlamm. Die zwei großen welken Sonnenblumen in meinem Garten waren umgeknickt.
    Die Pappeln längs der Straße krümmten sich, darunter stemmten sich zwei Frauen mit einem kleinen Sodakanister

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