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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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gegen den Wind. Sie trugen dicke Trainingshosen, die mit einer Kordel um die Taille gehalten wurden. Sie husteten unter dem Wind und spuckten aus. Einen Augenblick lang war alles grau in diesem Bild, der Himmel, die Frauen, die Straße, die leeren Pappeln und der Sodakanister, alles war grau, obwohl man es voneinander unterscheiden konnte, die bitteren Gesichter von den Pullovern, die Hosen von der Straße, die Hände vom Kanister und die Pappeln vom Himmel. Alles war auf seine Weise vom Licht im Stich gelassen.
    Die Tage wurden so kurz, als wehte sie der Wind mit sich fort. Von den Bäumen beim gelben Tor an der Grenze stiegen keine Vögel mehr auf. Hinter dem Tor tat sich jetzt die Leere auf, in weiter Ferne beschienen von einem bläulichen Grenzscheinwerfer.
    Einmal in der Woche hielt ein Lastwagen vor der Fleischerei am Ende meiner Straße. Schnauzbärtige Männer in befleckten Schürzen trugen Plastikkisten mit blassen Geflügelstücken aus dem Wagen in den Hof. Die Kisten standen unter einem schadhaften gelben Vordach aus gewelltem Kunststoff im Hof des Geschäfts, und der Wind fuhr über die borstigen schlecht gerupften grauen Hühnerhäute, die sich schlaff über die vielen in die Kisten gezwängten Brust- und Beinteile der toten Vögel breitete. Von Zeit zu Zeit kam der Fleischer aus dem Laden und riss einen Armvoll graues Fleisch aus der Kiste. Auch seine Hände und seine Gesichtsfarbe waren grau, unter dem gelben Vordach nahmen sie allenfalls einen leichten grünlichen Schimmer an.
    Im leeren Licht des Winters rückte alles sehr weit fort. Hatte ich je irgendwo anders gelebt als in diesem Grenzland? Ich stemmte mich gegen den Wind und wusste nicht mehr, ob die anderen Gelegenheiten, die mir als ähnliche Windkämpfe in den Kopf kamen, aus Erinnerungen, Träumen oder völlig eingebildeten Visionen aufstiegen. Hatte mich der Blick zum Horizont so aufgerieben und erschöpft, dass ich mir einbildete, in anderen Städten, anderen Ländern, mit anderen Menschen gelebt zu haben? In solchen Augenblicken wurde mir die Sprache, an die ich mich langsam gewöhnte, widerständig und unaussprechlich, als müsste ich mich ihr zum Beweis für meine Unhiesigkeit versagen.
    Einige Zeit war ich stumm. Ich gab den Dingen keine Namen mehr, weil sie nichts mit den mir bekannten Worten zu tun hatten. Ich saß im Mantel auf der Veranda und schaute nur noch auf den Himmel, denn dabei erübrigten sich die Namen. Ich wechselte mit niemandem mehr ein Wort und dachte immer öfter an Attila, der die kleinen Schäden an meinem Haus repariert hatte, und an seine Schweigsamkeit. Seine Augen waren von einem ganz flachen gleichmäßigen Blau, wie zwei aufgemalte Seen auf einem Kinderbild. In diesen zwei Seen rührte sich nichts, als wäre etwas in ihm zu einem kühlen Stillstand gekommen. Er hatte die Ruhe mitgenommen, die über meinem Garten und der Veranda und auch in den Zimmern gelegen hatte, und damit unmerklich eine Decke von den Dingen ringsum weggezogen.
    Ich spazierte durch die Winterstraßen, sann auf ein Anliegen, suchte sein Haus, die Tore, Fenster, niedrigen Dächer hinter den leeren Bäumen ähnelten einander zum Verwechseln. Ich meinte sein Haus zu erkennen, das Gartentor stand offen, die Fenster dunkel, von Ziegen fehlte jede Spur. Am Wegrand lungerte ein Mann vor einem Nachbarhaus, er trug eine graue krause Pelzmütze.
    Der ist weggezogen, sagte er ungefragt, als stünde er dort und sei bestellt, über den Verbleib eines Fortgegangenen Auskunft zu geben. Als sähe man mir an, dass ich nach ihm suchte.
    Es dämmerte. Die Dunkelheit kam früh und schnell, als würde die schmächtige Helligkeit von irgendwoher aus der Luft gesaugt. Ich machte mich auf den Rückweg. Ich warf einen Blick zurück in die Straße, die der Abend schon ganz ausfüllte. Der Mann mit der Pelzmütze war verschwunden. Die Häuser hingen als schwachweiße Flecken im Dunkel, und ich hätte nicht mehr sagen können, welcher Fleck Attilas Haus gewesen war.

DER FLEISCHER
    An den Markttagen kamen die Rumänen nach Battonya und kauften Fleisch. Ihre Autos standen am Rand der Hauptstraße, unter den Kastanien- und Lindenbäumen, die Männer saßen am Steuer und rauchten durchs offene Fenster, die Frauen kauften ein, vor allem Fleisch. Alle hungerten nach Fleisch. Nach dem Einkauf schwatzten sie vor den Geschäften, begutachteten dabei die Taschen ihrer Gegenüber, die Taschen mit Fleisch und Knochen und Innereien, aus denen sich rötliche Rinnsale bahnten.
    Der

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