Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
Vom Netzwerk:
Baum, der Weite, dem Horizont. Wieder kamen Stürme, der eisige Winterwind, und das Dunkle im Baum gefror und knarrte, wenn es im Wind hin und her schaukelte. Dann schneite es wieder, und der Schnee blieb lange liegen. Es war ein außerordentlich schneereiches Jahr, und allgemein blieb wenig zu tun, als abends das Wirtshaus aufzusuchen. Der viele Schnee schien sich manchem aufs Herz zu legen. Es wurde viel geschwiegen, und nie sprach man von dem Mann im Baum. Er hatte an vielen Abenden im Wirtshaus gestanden, und auch wenn er sehr schweigsam war, er hatte getrunken und geraucht, nicht getanzt, aber manches Mal gesungen, leise, und kurz, wenn der Akkordeonspieler eine Pause machte, er war gekommen und gegangen, hatte seine äpfel gehegt und versorgt, geerntet, verschenkt und gegessen, hatte auf der Schwelle seines Hauses gestanden und in die Ferne geblickt, während sich die Rauchwolken, die er blies, in den Zweigen des Baumes verfingen.
    Sicher war es der viele Schnee, der das Schweigen beförderte, denn wenn man nun aus dem Fenster oder der Tür zum Apfelbaum schaute, sah man in eine Welt, die fast nur aus Grau und Weiß bestand. Der Schnee türmte sich an den Wegen entlang, bildete kleine Hügel über Büsche und größere Gegenstände, und um den Apfelbaum war eine große Wehe entstanden. Dahinter sah man die Ebene, die vom Himmel nicht zu unterscheiden war. An den wenigen klaren frostsirrenden Tagen saßen Krähen auf der Schneewehe, und der Horizont war ein schmaler bläulicher Streifen zwischen dem Himmel und dem flachen Land.
    Das Tauwetter kam spät und mit einem warmen, süßlichen Wind, der sich eines Nachts mit sausendem Rauschen erhob. Die Fensterläden klapperten, die Dachbalken ächzten. Der schmelzende Schnee gurgelte, die Erde weichte auf. Tagsüber war der Himmel von jagenden violetten und bräunlichen Wolken bedeckt, und über den Wolkenfetzen leuchtete manchmal ein von einem hohen Licht erfüllter türkiser Himmel. Der Schnee verschwand rasch, die Welt schien fremd, wie nach jedem Winter, wenn die Erde so bloß, aufgeweicht und braungrau bis zum Horizont da lag und alles schwarz in die Luft ragte. Im Apfelbaum wehte ein breites Band aus dunklen Fetzen, die im Wind flatterten. Sie stiegen und fielen im Rhythmus der Windstöße, wenn der Wind abflaute, schwangen sie leise hin und her, und wenn er sich legte, hingen sie still und gerade herab. Fast schön, ein verlassener Schmuck, leicht, weich und sinnlos im starren Gezweig, und so hingen sie und wehten, bis der Frühling kam.

BATTONYA
    Aus den Hügeln fuhr ich zurück nach Battonya. Ich erkannte die leeren Felder wieder, die einzelnen Baumgruppen am Horizont, die Farben des Himmels, das tierhafte Keuchen und Stampfen des einsamen Triebwagens beim Durchqueren der Landschaft.
    Ich erkannte den Bahnhof wieder, das müde Blaugrün der Veranda, die leeren Bänke, die Grenzler hielten sich im Warmen auf, unsichtbar und träge. Rumänien lag hinter blassem Gestrüpp, das im Wind sicher raschelte, doch bei meiner Ankunft war es windstill, und eine dunkle Katze überquerte die toten Gleise.
    Vor den Kneipen standen Fahrräder und die langgestreckten Dreiradmobile, in denen sich Versehrte voranhebelten, schwarze Gefährte, Kisten auf drei Rädern, auf denen sie ihr Gebrechen durch die Welt schieben und gleichzeitig die ihnen verbliebene Kraft erproben konnten.
    Am Wegrand trieben sich träge Hunde und Katzen auf der Suche nach Paarung herum, kaum aus ihrer Wintermüdigkeit erwacht, wälzten sie sich im struppigen fahlen Gras am Wegrand in einer Erinnerung oder einem Vorgeschmack auf die Lust wärmerer Zeiten.
    Frauen warfen mir Grußworte zu, das war ein großer Winter, sagten sie von ihren Fahrrädern herab.
    Ich kam zurück zu meinem Haus. Es sah arm und allein aus. Als ich im Ofen Feuer machen wollte, musste ich mir erst wieder in Erinnerung rufen, wie das geballte Papier, die Späne, die kleinen Scheite aufeinander gebaut werden, damit das Feuer dazwischen wachsen und sie von innen her verzehren kann. Es wurde wärmer, und ich hörte die Wände seufzen.
    Ich hörte die Nacht- und die Morgengeräusche. Das Hundegebell, das Krähen der Hähne im Dunkel vor Tagesanbruch, das Scheppern der Fahrräder, Kinderstimmen auf dem Schulweg, das quietschende Tor zum Garten der Buckligen.
    Mein Nachbar Todor klopfte ans Fenster, Du bist wieder da, sagte er, als ich öffnete. Er brachte einen Zahnlosen mit einer hohen Mütze, der sollte mein Feld pflügen, denn jetzt

Weitere Kostenlose Bücher