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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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dort Zäune gebaut, so lang wie das ganze Land. Das war nun viele Jahre her. Tagsüber bauten sie Zäune. Das Leben brandete um sie herum, und sie bauten Zäune. Sie rochen die Speisen und sahen die Schönheit der Frauen, hörten das fremde Lachen und Rufen und Singen, das ihnen am Herzen zog und zehrte, und nachts wurden sie in einer Wohnung eingeschlossen, damit sie nicht davonliefen und ihr Herz verschenkten.
    Jeden Nachmittag kam Attila mit einem kleinen Mann und baute an meinem Zaun. Der kleine Mann war scheu und sagte selten ein Wort. Er hatte keinen Namen, Attila nannte ihn nur mein Kollege. Sie arbeiteten schnell, und ihre Bewegungen sprachen miteinander, als hätten sie sie für eine Vorführung einstudiert. Sie sägten und hämmerten und hobelten ohne Verletzung, ohne Fehler und ohne Frage, und als der Zaun fertig war, sah er aus wie die Zäune im arglosen Kindheitsland, das nur von Träumen besiedelt war. Er war ein fremder Zaun in diesem Land und gehörte wie kein anderer auf diese Grenze meines Gartens.
    Ein schöner Zaun, sagte ich, als er fertig war, und Attila sagte: Ja, ich weiß. Er zuckte mit den Schultern.
    Im grauen Licht des Abends war alles sanft und scharf zugleich. Jedes Ding hatte sein einzelnes eigenes Leben in diesem Zwielicht, als sollte allem eine Art Gerechtigkeit widerfahren.
    Dies scharfe reine Dämmergrau.
    Das ist nichts für mich, sagte Attila. Hell soll es sein, und heiter.
    Er stieg auf sein Fahrrad und floss in das Abenddickicht.

DIE REISEN
    Der Akkordeonspieler war auf seinem Platz. Die klammen Fingerkuppen ragten aus schwarzen Halbfingerhandschuhen. Die Hände litten im Winter, an Kälte, Untätigkeit, dem unruhigen Streifen über Oberflächen auf der Suche nach vertrauten Regungen.
    Er nickte mir zu, mich rührte sein Erkennen. Eine Handvoll Trinker hockte zusammen, sie redeten, lachten, schwiegen, riefen Worte durch den Raum, die jedem gelten konnten.
    Die Lieder kamen zurück. Die langen ungefügigen Melodien, die Kreiselmusik. Wer weiß, wo sie gewesen waren. Im Bett oder im Schrank des Akkordeonspielers, auf einem schiefen Küchenbord in seinem Haus, zwischen trüben Gläsern und rissigen Bechern, eines Tages schlüpften sie wieder zurück in sein Instrument. Scheu waren sie noch, sie sirrten und maunzten in einer Ecke der Kneipe, wo niemand sie beachtete.
    Noch ein Wintergesang, sagte der Akkordeonspieler leise, dann wird es Frühling.
    In der Ebene, wo sich wenig ereignet und das Dasein sich langsam abspielt, wo jede Fortbewegung nicht nur größere Mühe sondern auch stärkeren Entschluss erfordert als andernorts, ist man dennoch unentwegt auf Reisen. Reisen vom dunklen, scharfen Schatten, den das Haus auf die Erde wirft, ins helle Licht des Mittags, Reisen von der Kühle in die Wärme und aus dem Wind in die Stille, Reisen vom Brot im Mund zum Wasser und von dort zu der kalten metallenen Schärfe der Messerschneide, die man sich abwesenden Sinnes zwischen die Lippen schiebt. Reisen vom Bellen der Hunde zu ihrem Verstummen, vom Blick, den der eine mit seinem Nachbarn wechselt, zur Abgewandtheit seiner Augen, von Wolke zu Sonne und von Sonne zu Wolke, vom Horchen auf das ferne Pfeifen eines Zuges zum dumpfen Schlag eines Fensterladens, von Schneeflocke zu Schneeflocke, vom Nutzen der Gegenstände zu ihrer Unbrauchbarkeit, von Tisch zu Bett, von Bett zu Schrank, von Schrank zu Fenster, vom Blick in die Ferne zum Verscheuchen einer Fliege, von Warten zu Warten und Hunger zu Hunger, und dennoch gelingt es, jeden Fremdling in die Irre zu führen und Stillstand und Reglosigkeit vorzugaukeln.

KRÄHENLAND
    Den Winter über war das Land zwischen Pitvaros und Makó von Krähen bewohnt. Die Felder lagen so brach, als könnte dort nie etwas anderes sein als die Vögel, die im dünnen Schnee, in den überfrorenen Furchen, im zähen Tauwetterschlamm nach den letzten Resten von Mais und Sonnenblumen suchten, große Krähen, dazwischen Elstern, streitende Schwärme, die von den kahlen Bäumen auf die Felder schweiften, an den Wegrändern saßen, die spärlichen Siedlungen nie aus den Augen verloren, bewegliche Zeichnungen im starren, gestrichelten, unscharfen Land. Die Luft war voll von ihren Stimmen, der heisere, schnarrende Banater Winterklang, der lange anhielt und sich im weiten Auland zwischen Tamiš und Donau genauso anhörte wie hier, im Umland des Maros.
    In Magyarcsanád lagen die Straßen nackt und leer um die riesigen Kirchen, und es roch nach Krautsuppe. Im Märzfrost

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