Banatsko (German Edition)
war die Zeit dafür. Der Zahnlose führte seine zwei weißen Pferde am Pflug längs und quer über das bloße Feld, die Pferde drehten und trotteten geduldig unter seinen mal scharfen, mal weichen Rufen und Zuflüsterungen, während Todor am Tor stehenblieb. Mit der zweifingrigen Hand gestikulierte er in der kühlen niesligen Luft und beschrieb mir in großen Worten sein vergangenes Leben als Kolchosenkoch, immer wieder nannte er die Mengen, die er zu kaufen, zu verwalten und zu kochen hatte, die gewaltigen Suppen, die Zentner Kartoffeln, und vor allem das Fleisch, die ganzen und die zerteilten Tiere, die Flanken und Keulen, die unter seinen Anweisungen für Hunderte zubereitet wurden. Immer wieder kehrte er zum Fleisch zurück, in Worten, deren Bedeutung ich nicht kannte, die alle gleich klangen und mir brandig rochen. Zwischen den Fleischbrocken mochten auch seine Finger geblieben sein, doch diese Frage stellte ich nicht.
Der Zahnlose und seine Pferde hinterließen die Erde nackt und brach, in große stumpfdunkle Brocken gebrochen, Klüfte und Schründe. So würde der Frühling sein, die bloße schwarze Schutzlosigkeit der Erde.
Eines Tages starb ein alter Mann in meiner Straße. Er wurde von seinem Nachbarn aufgefunden, der Schlag hatte ihn getroffen, an einem stillen Abend, mitten im Abendessen, vor dem Fernseher. Der Nachbar stand im windigen Morgen vor dem Haus und erzählte immer wieder, wie der Verstorbene zwischen umgekipptem Tisch und Stuhl am Boden gelegen hatte, die eine Hand halb erhoben und zur Faust geballt, in einer Verrenkung erstarrt, während der Fernseher noch mit großer Lautstärke lief. Neben ihm die angebrochene Mahlzeit auf dem Boden verschüttet, der Teller in Scherben, das Besteck, vielleicht auch ein zerbrochenes Glas, eine Wein- oder Bierlache. Nachdem er mehrere Male von seinem Fund berichtet hatte, wurde er der Worte müde und stellte stattdessen mit seinem eigenen Körper dar, wie der Tote sich verrenkt, wie er die Hand geballt und erhoben, wie er dagelegen und welchen Ausdruck sein Gesicht gehabt hatte. Die Schaulustigen, darunter auch die buckligen Geschwister, die sich gleich zu Anfang eingefunden hatten, dankten ihm diese Abwandlungen mit neuer Neugier und Aufmerksamkeit, auch sie waren nach einer guten Stunde im grauen Wind der Wiederholungen müde geworden.
Zu guter Letzt gab der Nachbar noch preis, dass sein verstorbener Freund ein gutes Leben geführt, nicht gespart und genossen habe, was es an Genüssen zu ergattern gab. Er verdrehte die Augen bei der Beschreibung der Düfte, die der Küche des Verstorbenen entströmt und ihren Weg in sein Haus gefunden hatten.
Der Tote wurde fortgebracht. Die Neugierigen zerstreuten sich, der Nachbar des Toten schloss das grüne Eisentor. Im Haus des Toten blieb nur der jaulende Hund zurück, der die Schnauze suchend und klagend durch den Spalt unter dem Zaun hervorschob und sich dann und wann in großer Verzweiflung gegen das Tor warf.
Ich rief Attila, damit er mir einen Zaun baute, auf der Seite der buckligen Geschwister sollte er verlaufen, zwischen meinem Aprikosen- und ihrem Mirabellenbaum, durch das Gebüsch von Akazienschösslingen und Weißbuchentrieben wollte ich meine Grenze ziehen, hinter der ich den Himmel studieren und das Flussufer am fernen Ende der langen Gärten beobachten würde, während ich den Frühling kommen sah, mit Dingen und Farben und Gerüchen, deren alte, mir vertraute Namen ich zu vergessen begann, weil sie hier so stumpf und hohl verklangen und keinem Ding anhaften wollten.
Ich würde den buckligen Nachbarn hinter dem Zaun hantieren, seine Sense schärfen, das Gras mit scharfem Sausen mähen hören, ich würde ihn und seine Schwester im Maisstroh rascheln und zwischen ihren Heuhaufen umherschleichen hören, und sie würden mich nicht sehen, keinen Blick auf meine Lippen erhaschen, die sich um die kurzen weichen Laute der neuen Sprache legten und leise etwas sagten, das Wind heißen mochte, Erde, Vogel, Horizont. Worte zwischen denen Schweigen floss, ich lernte ungesagt zu lassen, was außerhalb des Sichtbaren lag.
Kannst du mir einen Zaun bauen, Attila?, fragte ich.
Attila nickte, Seinerzeit habe ich viele Zäune gebaut, sagte er langsam.
Er trug die Zaunbretter auf die Veranda, in den trockenen Schutz, wo sie zersägt werden sollten. Seinerzeit habe ich viele Zäune gebaut, sagte er noch einmal in den kalten Vorfrühlingsabend. Das war in Italien, dort hatte er Zäune gebaut, zu etlichen hatten sie
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