Band 1 - Blutspur
selbst zu bestimmen.
Ich gähnte und mir fielen die Augen zu. Es war der zweite Tag meiner Gefangenschaft, und ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht der letzte sein würde. Ich hatte die vergangene Nacht damit verbracht, meinen Käfig gründlich zu untersuchen, und festgestel t, dass er absolut Rachel-sicher war. Der zweistöckige Drahtkäfig war für Frettchen konzipiert und erstaunlich ausbruchssicher. Ich hatte stundenlang versucht, die Schweißnähte aufzubrechen, was mich völ ig erschöpft hatte. So war das Nichtstun jetzt ganz angenehm.
Meine Hoffnung, von Jenks oder Ivy gerettet zu werden, war gering. Ich war auf mich al ein gestel t. Und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis ich Sara Jane davon überzeugen konnte, dass ich ein Mensch war, und so viel eicht hier raus kam.
Müde beobachtete ich, wie Trent vom Schreibtisch aufstand und ruhelos zu dem CD-Regal wanderte, das sich in riner Nische neben der Stereoanlage befand. Er sah wirklich gut aus, als er dort stand und so auf die Auswahl konzentriert war, dass er nicht bemerkte, wie ich ihn bewertete: eine 9,5 von 10. Ich zog 0,5 Punkte ab, da der Großteil seines Körpers mit einem Anzug bedeckt war, der mehr kostete als so manches Auto.
Gestern Abend hatte er auch schon so einen appetitlichen Anblick geboten, als er nach dem offiziel en Büroschluss das Jackett ausgezogen hatte. Der Mann hatte einen verdammt wohlgeformten Rücken. Warum er ihn immer in einem Anzug versteckte, war sowohl ein Rätsel als auch ein Verbrechen. Sein durchtrainierter Bauch war sogar noch besser. Er trieb bestimmt viel Sport, obwohl mir schleierhaft war, wann er die Zeit dafür fand. Ich hätte al es dafür gegeben, ihn in einer Badehose zu sehen - oder weniger.
Seine Beine mussten genauso muskulös sein wie der Rest, immerhin galt er als ein erstklassiger Reiter. Und fal s das so klingt, als sei ich eine sexhungrige Nymphomanin - ich hatte ja schließlich auch nichts anderes zu tun, als ihn zu beobachten.
Trent hatte gestern noch lange nach Sonnenuntergang gearbeitet, scheinbar al ein in dem stil en Gebäude. Das falsche Fenster war lange die einzige Lichtquel e gewesen.
Erst als draußen die Sonne schon untergegangen und auch das gefälschte Tageslicht langsam verblasst war, hatte Trent seine Schreibtischlampe angemacht. Ich war mehrmals weggedöst und dadurch geweckt worden, dass er eine Seite umblätterte oder der Drucker mit einem Summen zum Leben erwachte. Trent hatte erst Schluss gemacht, als Jonathan gekommen war und ihn daran erinnert hatte, etwas zu essen. Ich musste zugeben, dass er sein Geld genauso hart verdiente wie ich. Er hatte al erdings zwei Jobs: angesehener Geschäftsmann und Drogenbaron. Das verschaffte einem wahrscheinlich vol gepackte Arbeitstage.
Meine Hängematte bewegte sich, als ich Trent dabei beobachtete, wie er eine CD aussuchte. Kurz darauf erfül ten leise Trommelrhythmen den Raum. Mit einem herausfordernden Blick in meine Richtung zog Trent seinen grauen Leinenanzug zurecht und fuhr glättend über sein Haar. Ich signalisierte ihm schläfrig mein Einverständnis, was ihm auch wieder nicht recht zu sein schien. Es war nicht meine Art von Musik, aber das war schon in Ordnung. Es war ein älteres Stück, das eine fast schon in Vergessenheit geratene Intensität und Traurigkeit vermittelte, die anrührend waren. Eigentlich gar nicht so schlecht.
Daran könnte ich mich gewöhnen, grübelte ich und streckte vorsichtig meinen langsam verheilenden Körper.
Seitdem ich die I. S. verlassen hatte, hatte ich nicht mehr so gut geschlafen. Es war schon absurd, dass ich hier, in einem Käfig im Büro eines Drogenbarons, vor den Mordanschlägen der I. S. sicher war.
Trent machte sich wieder an die Arbeit. Hin und wieder unterbrach er sich und trommelte mit seinem Stift zum Rhythmus der Musik; es war offenbar eine seiner Lieblings-CDs. Den Rest des Nachmittags dämmerte ich im Halbschlaf vor mich hin, eingelul t vom sanften Flüstern der Musik. Ab und zu wurde die Geräuschkulisse durch Trents weiche Stimme ergänzt, wenn er telefonierte. Irgendwann wartete ich regelrecht auf den nächsten Anruf, um sie wieder hören zu können.
Ein Spektakel im Flur riss mich schließlich aus dem Schlaf.
»Ich weiß, wo sein Büro ist«, dröhnte eine selbstsichere Stimme. Sie erinnerte mich an einen der arroganteren unter meinen ehemaligen Professoren.
Sara Janes Protest war kaum zu hören. Ich warf Trent einen fragenden Blick zu.
»Wandel und Höl e«,
Weitere Kostenlose Bücher