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Band 1 - Blutspur

Band 1 - Blutspur

Titel: Band 1 - Blutspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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»Wusstest du, dass sie Geld hat?«
    Jenks staubte ein Blatt ab und ließ sich darauf nieder. Er setzte einen überlegenen Gesichtsausdruck auf, was ziemlich schwierig ist, wenn man nur 10 cm groß und wie ein durchgedrehter Schmetterling gekleidet ist. »Naja, sie ist das letzte lebende Mitglied ihres Geschlechts. Ich würde sie ein paar Tage in Ruhe lassen, sie kocht vor Wut. Sie hat ihr Haus auf dem Land verloren, den ganzen Grundbesitz, ihre Wertpapiere - einfach al es. Nur das Stadthaus am Fluss ist übrig geblieben. Und das gehört ihrer Mutter.«
    Ich machte es mir in meinem Stuhl bequem, wickelte meinen letzten Zimtkaugummi aus und steckte ihn in den Mund. Jenks landete scheppernd in meinem Karton und begann herumzustöbern. »Oh, ja«, murmelte er. »Ivy sagte, dass sie schon was gemietet hat. Ich habe die Adresse.«
    »Raus aus meinem Zeug.« Ich schnippte mit einem Finger nach ihm und er flog zurück auf den Lorbeerbaum. Vom höchsten Zweig aus beobachtete er die tratschenden Kol egen. Als ich mich bückte, um die unterste Schublade zu reinigen, spürte ich ein Hämmern in den Schläfen. Warum hatte Ivy Denon al es gegeben, was sie hatte? Warum hatte sie nicht ihren Wunsch eingesetzt?
    »Pass auf«, sagte Jenks, während er an der Pflanze hinunterrutschte, um sich zwischen den Blättern zu verstecken. Er kommt.« Ich richtete mich auf und sah, dass Denon meinen Tisch schon fast erreicht hatte.
    Francis, Büroschleimer und Petze vom Dienst, löste sich aus einer Gruppe und folgte ihm. Die Augen meines Ex-Bosses richteten sich auf mich, als er über die Trennwand blickte, woraufhin mir der Kaugummi im Hals stecken blieb und ich mich verschluckte.
    Einfach ausgedrückt sah der Boss wie ein Profi-Wrestler mit einem Doktortitel in Selbstgefäl igkeit aus. Er war groß und durchtrainiert, mit perfekt gebräunter Haut. Ich glaube, in seinem letzten Leben war er ein Felsbrocken.
    Wie auch Ivy, war Denon ein lebender Vampir. Im Gegensatz zu Ivy wurde er jedoch als Mensch geboren und später verwandelt. Dadurch gehörte er zur unteren Kaste, sozusagen ein unbeliebter Cousin zweiten Grades in der Welt der Vampire. Trotzdem war Denon jemand, mit dem man rechnen musste. Er hatte hart gearbeitet, um seinen unehrenhaften Start auszugleichen. Die Fül e seiner Muskeln war mehr als nur Zierde, sie garantierte sein Überleben, wenn er mit seiner stärkeren, angenommenen Verwandtschaft zusammen war. Er hatte das alterslose Aussehen eines Wesens, das regelmäßig von einem wahren Untoten versorgt wurde. Nur die Untoten konnten Menschen in einen Vampir verwandeln, und seiner gesunden Erscheinung nach zu urteilen war Denon ein klarer Favorit.
    Das halbe Büro wol te mit ihm in die Kiste steigen, al e anderen fürchteten ihn. Ich war stolz, zu der zweiten Gruppe zu gehören.
    Meine Hände zitterten, als ich die Kaffeetasse vom Vortag anhob und vorgab, daraus zu trinken. Seine Arme pumpten wie Kolben, als er sich bewegte, sein gelbes Poloshirt bildete einen angenehmen Kontrast zu seiner schwarzen Hose. Die ordentlichen Bügelfalten brachten seine muskulösen Beine und den flachen Bauch zur Geltung. Die Kol egen gingen ihm aus dem Weg, einige verließen die Etage. Gott helfe mir, wenn ich meinen einzigen Wunsch verschwendet hatte und nun doch erwischt würde.
    Der Kunststoff quietschte unter der Belastung, als er sich auf eine meiner Trennwände lehnte. Ich sah ihn nicht an, sondern konzentrierte mich auf die Löcher, die meine Reißnägel in dem Raumteiler hinterlassen hatten. Die Haut an meinen Armen prickelte, als ob Denon mich berühren würde. Seine Anwesenheit schien um mich herumzu-wirbeln und die Wände meines Büroabteils zu durchdringen, bis es sich so anfühlte, als stünde er nicht nur vor, sondern gleichzeitig auch hinter mir. Mein Puls beschleunigte sich und ich versuchte, mich auf Francis zu konzentrieren.
    Der Schleimer hatte sich auf Joyces Schreibtisch niedergelassen und öffnete gerade den Knopf seiner blauen Polyesterjacke. Er grinste, um seine perfekten, offensichtlich überkronten Zähne zu zeigen. Als ich hinübersah, schob er die Ärmel seiner Jacke hoch, um seine dünnen Arme zu präsentieren. Sein beinahe dreieckiges Gesicht wurde von halblangem Haar eingerahmt, das er sich ständig aus den Augen strich. Er fand wohl, dass ihm das einen jungenhaften Charme verlieh. Ich fand, er sah aus, als käme er gerade aus dem Bett. Obwohl es erst drei Uhr nachmittags war, war sein Gesicht von Bartstoppeln übersäht.

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