Band 1 - Blutspur
mich nicht anrühren.« Ich war nicht in der Lage, seinem Blick auszuweichen. »Ich habe keine Papiere unterschrieben.«
»Nein?«, flüsterte er. Sein arroganter Blick wurde spöttisch, als er mit lautlosen Schritten auf mich zukam. Mit klopfendem Herzen starrte ich auf den Boden und griff hinter mich, um mich am Türrahmen festzuhalten. Er war stärker als ich. . und schnel er. Aber ein Knie in den Weichteilen würde ihn genauso ausschalten wie jeden anderen Mann.
»Die Justiz wird das nicht kümmern«, hauchte er, als er mich erreicht hatte, »du bist schließlich schon tot.«
Meine Augen weiteten sich, als er seinen Arm nach mir ausstreckte. Sein Geruch überkam mich, der moderige Hauch schwarzer Erde, und ich ging einen Schritt auf ihn zu. Sanft fuhr er mit seiner Hand über mein Kinn. Die Berührung brachte mich so aus dem Konzept, dass ich stolperte, woraufhin er mich am El bogen packte und an seine Brust zog. Sehnsucht nach al den verheißungsvol en Versprechen, die er mir zu machen schien, zog durch mein Blut. Ich lehnte mich an ihn und wartete. Schließlich öffneten sich seine Lippen und er flüsterte mir Worte zu, die ich nicht verstand.
Schöne, dunkle Worte.
»Kist!«, schrie Ivy und wir zuckten beide zusammen. In seinen Augen blitzte Wut auf, verschwand dann jedoch wieder. In Sekundenschnel e kehrte meine Wil enskraft zurück. Ich versuchte, mich loszureißen, doch er hielt mich fest. Es roch nach Blut. »Lass mich los«, forderte ich und wurde beinahe panisch, als er nicht reagierte. »Lass los!«
Er zog seine Hand zurück und wandte sich Ivy zu, ohne mich weiter zu beachten. Zitternd fiel ich gegen den Türrahmen, war aber nicht in der Lage, zu gehen. Erst musste ich wissen, dass er fort war.
Kist stand vol kommen ruhig vor der wütenden Ivy.
»Ivy, Liebes«, schmeichelte er, »warum quälst du dich so?
Sie ist von deinem Geruch überzogen, aber ihr Blut riecht noch immer rein. Wie kannst du da widerstehen? Sie wil es doch. Sie schreit geradezu danach. Beim ersten Mal wird sie viel eicht ein bisschen rumzicken, aber am Ende wird sie dir dafür danken.«
Scheinbar verschämt biss er sich sanft auf die Lippe. Blut floss und wurde von einer aufreizend langsamen Zunge aufgefangen. Mir wurde bewusst, wie laut ich atmete, und ich hielt die Luft an.
Ivy rastete nun völ ig aus. Ihre Augen wurden zu schwarzen Löchern und die Spannung im Raum steigerte sich dramatisch. Selbst die Gril en im Garten zirpten schnel er. Langsam und vorsichtig lehnte sich Kist zu Ivy hinüber. »Wenn du sie nicht einführen wil st, dann gib sie mir.« Seine Vorfreude war nicht zu überhören. »Ich werde sie dir auch bestimmt zurückgeben.« Seine Lippen öffneten sich und entblößten seine funkelnden Fangzähne. »Großes Pfadfinderehrenwort.«
Ivy rang nach Luft. In ihrem Gesicht verbanden sich Lust und Hass zu einer surrealen Mischung. Mit der Faszination des Grauens beobachtete ich, wie sie gegen ihren Hunger ankämpfte, bis er langsam verebbte und nur noch Hass übrig blieb. »Verschwinde«, sagte sie heiser.
Kist atmete tief ein, und als er ausatmete, löste sich die Anspannung. Jetzt konnte auch ich wieder atmen, während mein Blick zwischen den beiden hin- und herflog. Es war vorbei. Ivy hatte gewonnen. Ich war - in Sicherheit?
»Das ist einfach nur dumm, Tamwood.« Betont lässig rückte Kist seine Lederjacke zurecht. »Eine Verschwendung der Dunkelheit, für etwas, das gar nicht existiert.«
Mit abrupten Schritten ging Ivy zur Hintertür und mir lief der Schweiß den Rücken hinunter, als mich der Windhauch ihrer Bewegung streifte. Die kalte Morgenluft strömte zu uns herein und vertrieb die Dunkelheit, mit der sich der Kaum gefül t zu haben schien. »Sie gehört mir«, sagte Ivy, als ob ich gar nicht dawäre. »Sie steht unter meinem Schutz. Was ich mit ihr tue oder nicht tue, ist al ein meine Sache. Sag Piscary, wenn ich noch einmal einen von seinen Schattcn auch nur in der Nähe meiner Kirche erwische, dann gehe ich davon aus, dass er Anspruch erhebt auf etwas, das mir gehört. Frag ihn, ob er einen Krieg mit mir wil , Kist. Frag ihn das.«
Kist ging zwischen uns beiden hindurch und drehte sich auf der Türschwel e noch einmal um. »Du kannst deine Lust auf sie nicht ewig verbergen.« Ivy presste die Lippen zusammen. »Und sobald sie das mitkriegt, wird sie vor dir weglaufen, und dann ist sie Freiwild.« Von einer Sekunde auf die andere sackte er in sich zusammen und sein Gesicht wurde jungenhaft.
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