Band 1 - Blutspur
»Komm zurück«, bat er sie vol sinnlicher Unschuld. »Ich sol dir ausrichten, dass du deinen alten Platz zurückhaben kannst, wenn du uns nur ein bisschen entgegenkommst. Sie ist doch nur eine Hexe. Du weißt noch nicht mal, ob sie -«
»Raus!« Ivy deutete in Richtung der aufgehenden Sonne.
Kist trat durch die Tür. »Ein Angebot abzulehnen, schafft bittere Feinde.«
»Ein Angebot, das in Wirklichkeit keines ist, beschämt denjenigen, der es macht.«
Schulterzuckend zog er eine Ledermütze aus seiner Gesäßtasche und setzte sie auf. Dann sah er mich an und sein Blick wurde hungrig. »Auf Wiedersehen, Liebes«, flüsterte er, und ich schauderte, als ob er mit seiner Hand meine Wange berührt hätte. Ich war mir nicht sicher, ob aus Abscheu oder Verlangen. Dann war er fort.
Ivy knal te die Tür hinter ihm zu, bewegte sich mit unverändert beklemmender Anmut durch das Wohnzimmer und ließ sich in einen Sessel fal en. Wut verdunkelte ihr Gesicht. Heilige Scheiße. Ich lebe mit einem Vampir zusammen. Abstinent oder nicht, sie war ein Vamp. Was hatte Kist gesagt? Dass Ivy ihre Zeit vergeudete und dass ich abhauen würde, sobald ich ihren Hunger erkannte? Dass ich ihr gehörte? Scheiße.
Ich bewegte mich langsam rückwärts aus dem Raum, erstarrte jedoch zu Eis, als Ivy aufblickte. Die Wut in ihrem Gesicht verwandelte sich in Besorgnis, als sie sah, wie verängstigt ich war.
Mir schnürte sich die Kehle zu und ich wandte mich ab, um in den Flur zu gehen.
»Rachel, warte!« Ihre Stimme klang flehend. »Das mit Kist tut mir leid. Ich habe ihn nicht eingeladen, er ist einfach so aufgetaucht.«
Ich ging weiter. Wenn sie mich jetzt berührte, würde ich vor Anspannung explodieren. War das der Grund, warum Ivy mit mir zusammen ausgestiegen war? Sie konnte mich nicht legal jagen, aber wie Kist schon sagte, in meinem Fal wäre es der Justiz egal.
»Rachel. .«
Als ich mich umdrehte, stand sie direkt hinter mir, wich aber überirdisch schnel drei Schritte zurück, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Ihre Hände waren in einer beschwichtigenden Geste erhoben und sie sah ernsthaft besorgt aus. Mein Herz schlug inzwischen so heftig, dass ich Kopfschmerzen bekam. »Was wil st du?« Fast wünschte ich mir, sie würde lügen und mir sagen, das sei al es ein Missverständnis gewesen. Draußen waren die Geräusche von Kists Bike zu hören. Ich starrte sie an, während sich das Motorengeräusch langsam entfernte.
»Nichts.« Ihre braunen Augen blickten ernst. »Hör nicht auf Kist. Er spielt nur mit dir. Er flirtet mit al em, was er nicht haben kann.«
»Genau!«, schrie ich, um das Zittern zu unterdrücken. »Ich gehöre ja dir. Das hast du doch gesagt, dass ich dir gehöre.
Ich gehöre niemandem, Ivy! Bleib zur Höl e weg von mir!«
»Das hast du gehört?«
»Natürlich habe ich das gehört!« Die Wut besiegte meine Angst und ich machte einen Schritt auf sie zu. »Ist das dein wahres Ich?« Ich deutete in Richtung Wohnzimmer. »Bist du wie dieses - dieses Tier? Bist du das? Jagst du mich, Ivy? Geht es dir nur darum, deinen Magen mit meinem Blut zu fül en?
Schmeckt es viel eicht besser, wenn man sie betrügt? Tut es das?«
»Nein!«, schrie sie vol er Verzweiflung. »Rachel, ich -«
»Du hast mich angelogen! Er hat mich gefügig gemacht.
Du hast gesagt, ein lebender Vampir kann das nur, wenn man es zulässt. Und das habe ich zur Höl e nicht getan!«
Sie sagte nichts, sondern stand einfach bewegungslos im Türrahmen. Ich konnte ihren schweren Atem hören und nahm einen süß-sauren Geruch von Asche und Rotholz wahr: Die gefährliche Mischung unserer Körpergerüche. Ihre angespannte Reglosigkeit traf mich wie ein Schock. Mit trockenem Mund trat ich zurück, als mir bewusst wurde, dass ich gerade einen Vampir anschrie. Der Adrenalinrausch war vorbei, jetzt war mir schlecht und ich fror.
»Du hast mich angelogen«, flüsterte ich und zog mich in die Küche zurück. Sie hatte mich angelogen. Dad hatte recht gehabt: Traue niemandem. Ich würde meine Sachen packen und gehen.
Ivys Schritte hinter mir waren übermäßig laut. Offenbar trat sie bewusst fester auf, um sich bemerkbar zu machen.
Aber ich war zu wütend, um darauf zu reagieren.
»Was tust du da?«, fragte sie, als ich einen Schrank öffnete und eine Handvol Amulette herausnahm, um sie in meine Tasche zu packen.
»Ich gehe.«
»Das kannst du nicht! Du hast Kist doch gehört, sie warten auf dich!«
»Ich lasse mich lieber von Feinden umbringen, die ich
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