Band 2 - Blutspiel
Kopf wich.
Fröstelnd und benommen stand ich auf.
Das Gespräch der Männer verstummte so plötzlich, als hätte ich einen Gong geschlagen.
»Wo ist die Toilette?«, flüsterte ich mit trockenem Mund.
»Links, am Ende des Flurs.«
Ich hatte keine Zeit mehr, mich zu bedanken und torkelte aus dem Büro. Ohne nach rechts oder links zu schauen ging ich los und rannte fast, als ich die rettende Tür am Ende des Korridors entdeckte. Hastig stieß ich sie auf und erreichte das Klo gerade noch rechtzeitig.
Unter krampfartigem Würgen erbrach ich mein Frühstück.
Tränen liefen mir die Wangen hinunter, und das Salz mischte sich mit dem bitteren Geschmack des Erbrochenen. Wie konnte jemand einem anderen so etwas antun? Auf so etwas war ich nicht vorbereitet gewesen. Verdammt noch mal, ich war eine Hexe und kein Leichenbeschauer. Die LS. bildete ihre Runner für so etwas nicht aus. Runner übernahmen keine Mordfäl e, sie schnappten ihre Fänge lebend, selbst die Toten unter ihnen.
Mein Magen war inzwischen leer, und als die Würgekrämpfe nachließen, blieb ich erst mal, wo ich war und setzte mich auf den Boden. Ich presste die Stirn gegen das kühle Porzel an der Kloschüssel und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. Plötzlich bemerkte ich eine Hand, die sanft mein Haar zurückhielt. Rose musste schon eine ganze Weile da gewesen sein.
»Es wird besser«, flüsterte sie. Es klang fast so, als wol e sie sich damit selbst trösten. »Ganz bestimmt. Morgen oder übermorgen werden Sie die Augen schließen können, ohne dass die Bilder wieder auftauchen.«
Ich schaute hoch. Sie nahm die Hand weg und rückte ein Stück von mir ab. Hinter der offenen Tür waren Waschbecken und Spiegel zu sehen. »Wirklich?«, wimmerte ich.
Sie lächelte schwach. »Das sagen sie zumindest. Ich warte immer noch darauf. Ich glaube, sie warten al e darauf.«
Beschämt rappelte ich mich auf und drückte die Klospülung. Dann strich ich mir die Kleidung glatt, froh darüber, dass das FIB öfter putzte als ich. Rose wusch sich die Hände und ließ mir einen Moment, um mich zu sammeln. Ich verließ die Kabine und kam mir blöd vor. Daran würde Glenn mich ewig und drei Tage erinnern.
»Besser?«, fragte Rose, während sie sich die Hände abtrocknete. Ich nickte schwach und war schon wieder den Tränen nahe, weil sie so nett zu mir war und mir nicht das Gefühl gab, Neuling zu sein, oder ein Schwächling oder ganz einfach unfähig. »Hier«, sagte sie, nahm meine Handtasche vom Waschbecken und reichte sie mir. »Ich dachte mir, Sie brauchen Ihr Make-up.«
Ich nickte wieder. »Danke, Rose.«
Sie lächelte, und die Falten in ihrem Gesicht ließen sie noch fürsorglicher wirken. »Machen Sie sich keine Gedanken.
Das ist einer der ganz üblen Fäl e.«
Sie drehte sich um und wol te gerade gehen, als ich hilflos fragte: »Wie kommen Sie damit klar? Wie schaffen Sie es, nicht daran zu zerbrechen? Das. . was mit ihnen geschehen ist, das ist grauenhaft. Wie kann man einem anderen das antun?«
Rose holte tief Luft. »Erst weint man, dann wird man wütend, und dann unternimmt man etwas dagegen.«
Sie ging, und ich hörte ihre energischen Schritte, bis die Tür zufiel.
Okay - das schaffe ich.
11
Ich brauchte mehr Mut, als ich mir eingestehen wol te, um die Toilette zu verlassen. Hoffentlich hatte niemand bemerkt, dass ich zusammengebrochen war. Rose war überraschend nett und verständnisvol gewesen, aber ich war mir sicher, dass die FIB-Ermittler mich noch des Öfteren an diese Schwäche erinnern würden. Ist die süße kleine Hexe zu weich, um bei den großen Jungens mitzuspielen! Glenn würde das nie vergessen.
Ich warf einen nervösen Blick durch das Großraumbüro.
Als ich statt spöttischer Gesichter nur leere Schreibtische vorfand, verlangsamte ich meine Schritte. Oh nein, sie standen al e vor Glenns Büro und spähten hinein. Aus dem Raum schal ten laute Stimmen.
»Entschuldigung«, murmelte ich und mogelte mich an einem uniformierten Beamten vorbei, die Tasche fest an die Brust gepresst. Auf der Türschwel e blieb ich verblüfft stehen
- das Büro war vol er Ermittler mit ihren Waffen und Handschel en, und sie stritten sich lebhaft.
»Morgan.« Der Chipsfresser packte meinen Arm und zog mich ins Zimmer. »Al es wieder in Ordnung?«
Durch seine abrupte »Hilfe« geriet ich ins Stolpern, fing mich aber schnel wieder. »Ja«, antwortete ich zögernd.
»Gut. Ich habe die Hinterbliebenen des letzten Opfers angerufen.« Dunlop
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