Band 5 - Blutlied
um in den späten Achtzehnhundertern Choleraopfer
»umzubetten«. Er war einer der ersten Garten-Friedhöfe der Vereinigten Staaten; die Untoten schätzten Parks genauso sehr wie andere Leute. Es war damals schwer gewesen, seine gerade erst gestorbenen untoten Verwandten außerhalb des Grabes zu halten, und in so einem friedlichen Umfeld ausgegraben zu werden, musste ein gewisser Vorteil gewesen sein. Ich hatte mich schon gefragt, ob die große, versteckt lebende Vampirpopulation, die Cincy in diesen Tagen gehabt hatte, nicht viel damit zu tun hatte, dass die Stadt zweifelhafte Berühmtheit wegen Grabräuberei erlangt hatte. Es war weniger, dass sie die Toten aus den Gräbern geholt hatten, um die Universitäten mit Kadavern zu beliefern, sondern dass sie ihre Verwandten aus den Gräbern geholt hatten, um sie dorthin zurückzubringen, wo sie hingehörten.
Ich schaute über die ruhige, fast parkartige Anlage und wischte mir den letzten Zuckerkuss vom Mund. Das Gefühl meiner Finger auf den Lippen ließ mich aus offensichtlichen Gründen an Ivy denken, und mir wurde warm.
Gott, ich hätte etwas tun sol en. Aber nein, ich hatte dagestanden wie ein Idiot, zu überrascht, um mich zu bewegen. Ich hatte nicht reagiert, und jetzt musste ich darüber nachdenken, wie ich damit umgehen sol te, weil ich es nicht gleich klargestel t hatte. Saudämliche Hexe.
»Bist du okay?«, fragte Jenks, und ich zog meine Hand zurück.
»Tol «, sagte ich säuerlich, und er lachte.
»Du denkst an Ivy«, hakte er nach, und ich wurde noch röter.
»Naja, Dummkopf«, sagte ich und stolperte über einen Grabstein, der in den Boden eingelassen war. »Warte, bis deine Mitbewohnerin dich küsst, und dann schau, ob du es einfach vergessen kannst.«
»Höl e«, sagte Jenks und flog mit einem Grinsen auf dem Gesicht gerade außerhalb meiner Reichweite, »wenn einer von euch mich küssen würde, müsste ich nicht nachdenken.
Matalina würde mich töten. Entspann dich. Es war nur ein Kuss.«
Ich stapfte über das Gras und folgte dabei den Geräuschen der Funkgeräte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Als ob es nicht genug war, dass ein wahnsinniger Dämon meine Kirche auseinandernahm, erzählte mir jetzt auch noch ein zehn Zentimeter großer Mann, dass ich mal locker sein sol te, mit dem Strom schwimmen, mein Leben leben - und es nicht überanalysieren.
Jenks' Flügelgeklapper wurde leiser, und er landete auf meiner Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Rache«, erklärte er mit ungewohnt ernster Stimme. »Du bist du und Ivy ist Ivy.
Nichts hat sich verändert.«
»Ach ja?«, murmelte ich, weil mir das nicht so klar war.
»Nach links«, antwortete er nur fröhlich. »In der Richtung kann ich toten Werwolf riechen.«
»Das ist nett.« Ich ging an einem Grabstein vorbei und bog nach links ab. Am Fuß eines Hügels, hinter ein paar Bäumen, sah ich die braun-blauen Lichter eines Notarztwagens für verschiedene Spezies. Ich bin nicht zu spät, dachte ich. Hinter einer Reihe Zedern lag ein künstlicher See, und zwischen dem und den Tannen stand eine Ansammlung von Leuten.
»Rache«, meinte Jenks mit nachdenklicher Stimme.
»Glaubst du, das hat was mit -«
»Die Büsche haben Ohren«, warnte ich.
»- dem Ding zu tun, das ich Matalina aus unserem letzten Urlaub mitgebracht habe?«, improvisierte er schnel , und meine Lippen zuckten amüsiert. Ich hatte einen Dämonenfluch gewunden, um den Fluch vom eigentlichen Fokus auf ein Ramschteil zu übertragen. Dass dieses dann langsam begonnen hatte, sich zu verändern, bis der Fokus wieder seine eigentliche Form angenommen hatte, war einfach nur unheimlich.
Mit gesenktem Blick murmelte ich: »Mmmm-hmm. Ich wäre überrascht, wenn es anders wäre.«
»Glaubst du, dass es Trent ist, der danach sucht?«
»Ich glaube nicht, dass Trent weiß, dass es existiert«, antwortete ich. »Ich gehe eher davon aus, dass es Mr. Ray oder Mrs. Sarong waren, und dass sie sich gegenseitig töten in dem Versuch, es zu finden.«
Jenks' Flügel schickten einen kalten Zug an meinen Hals.
»Was ist mit Piscary?«
»Viel eicht, aber er hätte nicht solche Probleme, es zu vertuschen«, sagte ich und schaute auf, als die Stimmen der Männer sich veränderten und damit anzeigten, dass sie mich gesehen hatten. Ich wurde langsamer, als ich leise meinen Namen hörte, aber nachdem al e mich ansahen, wusste ich nicht, wer ihn ausgesprochen hatte. Vor mir standen zwei FIB-Wagen, ein schwarzer I.S.-Van und ein in der Kurve
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