Bangkok Tattoo
der Tische zu sitzen. Die gängigen Reiseführer warnten vor dieser kleinen Armee mittel- und skrupelloser, nicht immer junger Nutten, die nicht von Zuhältern oder Mamasans diszipliniert würden und deshalb unauffindbar wären, falls der Kunde mitten in der Nacht aufwachte und feststellte, daß Frau und Brieftasche verschwunden waren. Natürlich gab daraufhin eine etwas größere Armee neugieriger farang- Männereine Menge Geld für Drinks aus, um herauszufinden, wie skrupellos diese Damen tatsächlich waren. Bereits nach ein paar Jahren hatte sich eine ausgesprochen erfolgreiche Kooperative in einem scheunenähnlichen Gebäude etabliert, dessen Eigentümer sich überhaupt nichts aus schmückendem Beiwerk machen, auch wenn der Buddhaschrein darin einer der größten in der gesamten Branche ist.
Salee bahnt sich einen Weg durch die dichte Menge aus Vierzigplus-Männern und mit Designerimitaten bekleideten Frauen. Dazu spielen Creedence Clearwater Revival »Have You Ever Seen the Rain«, kaum hörbar bei dem großen Paarungschor rund um uns herum. Immer mehr Frauen strömen auf diesen brodelnden globalen Marktplatz. In dem Moment, in dem sie durch die Tür treten, schalten sie ihren Charme ein. Salee jedoch ist schon seit ein paar Stunden hier und verliert allmählich den Mut. Sie arbeitet freiberuflich, seit meine Mutter ihr letztes Jahr gekündigt hat, weil sie betrunken nackt auf der Theke tanzte, bevor sie auf einer der Bänke die Besinnung verlor. Wie allen großen Barbetreiberinnen haftet meiner Mutter etwas Puritanisches an.
»Wie gehen die Geschäfte?« frage ich lächelnd und bestelle einen doppelten Tequila.
Salee verzieht das Gesicht, als sie den Drink mit einem Zug leert. »Ich werde allmählich alt, Sonchai. Diesen Monat ist mein neunundzwanzigster Geburtstag. Die Jüngeren haben pro Nacht zwei, drei, manchmal sogar vier Kunden. Das sind hundertfünfzig US-Dollar dafür, daß sie sich ein paarmal zwanzig Minuten lang flach legen lassen. Aber ihre Generation unterscheidet sich von der meinen. Nach der Arbeit betrinken sie sich nicht mit Freundinnen in einer Thai-Bar, sondern kommen jedesmal gleich wieder hierher zurück, damit sie möglichst viele pro Nacht schaffen. Das sind keine echten Nutten mehr, sondern Geschäftsfrauen. Manche haben Webpages; der Kunde schickt ihnen ’ne E-Mail, und sie holen ihn vom Flughafen ab. Die haben das ganze Geschäft an sich gerissen. Für uns andere bleibt nichts mehr übrig. Das ist einfach nicht fair.«
»Soll ich Nong fragen, ob sie dich wieder einstellt? Das macht sie, wenn ich sie darum bitte.«
Ich ordere einen weiteren doppelten Tequila, den sie ebenso hastig trinkt wie den ersten, dann schüttelt sie den Kopf. »Nein, es war schon richtig, daß sie mich gefeuert hat. Ich bin jetzt in dem Alter, wo ich nicht mehr so gut mit einer Mamasan oder einem Papasan zurechtkomme. Mit dreißig muß man eigentlich fast auf eigene Rechnung arbeiten. Das hat nicht nur mit den Falten oder dem Hängebusen zu tun, sondern mit der ganzen Körperhaltung. Auch der dümmste Kunde versteht die Botschaft: Das ist kein Mädchen mehr, sondern eine Frau. Und die Männer kommen hierher, um mit Girls zu schlafen.«
»Wann hast du den letzten Kunden gehabt?«
Sie grinst verlegen. »Heute nachmittag.« Lachend fügt sie hinzu: »Aber das bestätigt nur, was ich gesagt habe. Ich kann nicht mehr mit den Jüngeren mithalten, deswegen muß ich schon mittags hier sein, wenn die noch schlafen.«
»Hast du’s auch mit Asiaten zu tun? Viele sehe ich nicht.«
»Na ja, hin und wieder tauchen schon welche auf. Erst vor kurzem waren zwei Vietnamesen da, kräftige Typen mit Riesenmuskeln, wahrscheinlich Halbamerikaner, wegen dem Krieg, die haben zwei von den Mädels mitgenommen. Vielleicht kommen sie noch mal vorbei.«
»Keine Japaner?«
»Sehr, sehr wenige. Die gehen lieber in die japanischen Clubs an der Soi 39 – aber wieso willst du das wissen?«
»Ich suche nach einem ziemlich ungewöhnlichen Japaner, Ende Zwanzig bis Mitte Dreißig, einem Tätowierer.«
Sie zuckt mit den Achseln. »Er stottert, kann aber Thai. Wahrscheinlich handelt es sich um einen eingefleischten Einzelgänger.«
Wieder zuckt sie mit den Achseln. »Für solche Fälle bin ich nicht die richtige. Die Asiaten mögen mich wegen meiner Größe nicht. Du kennst ja die goldene Regel.«
»Die Frau muß immer kleiner sein als der Kunde.«
»Soll ich Tuk fragen? Die ist klein und zierlich, die Asiaten lieben sie. Ich
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