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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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mich
gefangennahm in Rom, was mich schon seit dem ersten Tag in Rom gefangen genommen
hatte. So wie wir als Kinder geglaubt hatten, Zigis Schuhe habe ein Engel
abgestreift, damit ein Paar Stiefel seine Füße über den Winter retten würde,
glaubten wir heute, in Rom geschahen solche Dinge ständig. Wenn es etwas gab,
das sich hinter unserer Vorstellung abspielte, dann hier, zwischen den Märtyrern,
den Kreuzen und Heiligen in jeder Straße, und vielleicht lag es daran, dass
für uns damals nur diese eine, diese ewige Stadt zählte.
     
    Ich hatte mich damit abgefunden,
Aja und Karl verband etwas Neues. Wenn ich ihnen vom Küchenfenster nachsah,
musste ich zugeben, es passte, wenn sie die Straße hinuntergingen und Karl
seinen Arm um Ajas Schultern legte, wenn sie seine Hand hielt, bis zur nächsten
Ecke, wo sie Abschied nahmen und es ihnen schwerfiel, sich voneinander zu
lösen. Ich hatte es aufgegeben, mich länger querzustellen, und als Aja
vorschlug, wir sollten Weihnachten in Karls Leben zurückholen und es dieses
Jahr mit ihm feiern, meine Mutter solle beim nächsten Mal Kugeln mitschicken,
fand ich es auch nicht komisch, dass Aja jetzt schon an Weihnachten dachte,
jetzt, da der Frühling gerade erst angeklopft hatte. Sie hatte sich
vorgenommen, Weihnachten in Karls Leben zurückzubringen, das seine Eltern ohne
Ben nicht mehr hatten feiern wollen, an das Karl auch keine Erinnerung hatte
und das ihm nichts bedeutete, weil es aus seinem Leben gefallen war wie vieles
andere auch. Wenn ich mit Aja durch die Geschäfte zog, nahm sie etwas in die
Hände, drehte und wendete es und legte es zurück, wenn es nicht gut genug war
für ihr Weihnachten mit Karl, der sich an die Stirn getippt und gesagt hatte,
wir seien verrückt mit unserem Weihnachten, wir hätten aufgehört, an den Osterhasen
und Nikolaus zu glauben, aber an Jesus glaubten wir noch immer, warum wir damit
nicht aufhören wollten, genügend Gründe hätten wir doch.
     
    Meine Mutter schrieb, sie habe auf
den Frühling gehofft, aber zurückgekehrt sei der Winter und habe Kirchblüt noch
einmal mit Schnee bedeckt. Évi habe nicht gut vertragen, dass wir abgereist
seien, sie sei seltsam in letzter Zeit, vor dem Altarbild in der Kirche habe
sie laut geschimpft, bis meine Mutter sie am Ärmel hinausgezogen hatte. Wozu
sie einen Pass habe, wenn sie ihn nie benutze, hatte Ellen neulich gefragt,
wozu sie sich einen Pass habe ausstellen lassen und ihn gefeiert habe, wenn sie
das Land nie verlasse, und Évi hatte nichts zu antworten gewusst, als sei ihr
der Gedanke niemals gekommen, das Land verlassen und zurückkehren zu können,
weil sie einen Pass hatte, der ihr genau das erlaubte. Sie und Ellen würden noch
vor dem Sommer nach Rom kommen, sie würden nicht mehr bis zum Herbst warten
wollen. Sie hätten Évi sogar das Flugticket gezahlt, aber Évi habe es nicht
erlaubt, sie glaube an den lieben Gott, an die Weissagungen seiner Engel,
daran, dass er jemanden verstummen oder zur Salzsäule erstarren lassen könne,
aber es falle ihr schwer zu glauben, dass es keine Schande sei, etwas
anzunehmen und nichts dafür zurückzugeben. Aja schickte meiner Mutter eine
Karte mit der Villa Borghese, auf der stand, sie solle das Ticket einfach
kaufen, Évi würde schon mitkommen, und meine Mutter fragte im Fotoladen hinter Évis
Rücken, wann sie freinehmen dürfe, und ließ in der Spedition für Mitte Mai
Flüge buchen. Évi sei wütend gewesen, schrieb meine Mutter, wie ein Kind habe
sie mit verschränkten Armen zwischen Kuchenblechen auf ihrer Bank gesessen und
sich weggedreht, als meine Mutter ihr die Umschläge mit den Tickets gezeigt
hatte, auf denen Kalocs, Bartfink und Kisch stand. Erst als sie gesagt habe,
sie erwarte, dass Évi ihr jede einzelne Mark zurückzahle, bis zum Jahresende
habe sie Zeit dafür, hatte Évi eingewilligt und am selben Abend noch ihren
einzigen Koffer, von dem wir nicht wussten, wozu sie ihn überhaupt hatte, unter
dem Bett hervorgezogen, um die Staubflocken abzuklopfen und ihn unter
Birnbäumen zu lüften.
     
    Als sie aus dem Flugzeug stiegen,
trug Évi noch ein grünes Stützkissen im Nacken, das sie mit einem Häkchen unter
dem Kinn schließen konnte, wir konnten sie vom Fenster aus übers Rollfeld gehen
sehen. Wie ein Krake saß es noch auf ihren Schultern, als sie mit ihrem Gepäck
wenig später vor uns stand, und Karl nahm es ab und legte es in ihre Hände,
als er sie umarmte und im Scherz mit ihr schimpfte, weil sie nach Rom geflogen
war

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