Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
Vom Netzwerk:
und nicht den Zug genommen hatte. Wenn es nach ihm ginge, hätte Évi gleich
auf dem Rollfeld abgewiesen werden sollen, sagte er, nach Rom müsse man den Zug
nehmen, fliegen könne man in jede andere Stadt. Man müsse den Wald aus Masten
und Drähten sehen, wenn der Zug in Termini einfahre, wenn er an den Läden der
Häuser vorbeigleite, als wollten seine Waggons die Wäsche streifen, die dort an
kurzen Leinen trockne, und ich fand, Karl hatte recht damit, man durfte nicht
mit dem Flugzeug kommen, beim ersten Mal musste man den Zug nach Rom nehmen und
durch den Wald der Masten und Drähte von Termini fahren.
     
    Der Mai war so heiß, dass Ellen
schon nicht mehr auf der Sonnenseite der Straße laufen konnte, wenn wir unseren
Müttern unsere liebsten Plätze und Gassen zeigten und Évi alles still
bestaunte, die Farben der Fassaden, ihre unzählbaren Töne von Braun, die Sonne
und Zeit abwechselnd in die Mauern gefressen hatten, die Schwalbennester unter
den Dächern, die schweren Gitter vor den Fenstern, die Tempel und Kirchen und
die Brunnen, wo sie ihre Arme bis zu den Achseln ins Wasser tauchte, um sich
mit nassen Händen über Gesicht und Haare zu fahren, und von denen sie sofort zu
glauben bereit war, sie müsse nur eine Münze hineinwerfen, und der Wunsch, nach
Rom zurückzukehren, werde sich erfüllen. Évi entdeckte Engel und Madonnen
über Hauseingängen und Torbögen, wo wir sie nie gesehen hatten, in den Kirchen
stand sie lange vor den Bildern, auch wenn die Farben sie blendeten, wie sie
sagte, und in den Museen folgte sie den Figuren über die Linien ihrer Gesichter
und hob die Hände, als wolle sie den Faltenwurf ihrer Kleider nachzeichnen. Es
war verrückt, unsere Mütter hier, in dieser Stadt zu haben, weil sie herausfinden
wollten, wie wir uns in ihrem Geflecht bewegten und wie wir lebten darin. Ich
konnte mich nicht daran gewöhnen - Évi war hier, fern von Kirchblüt, wo wir
uns vor wenigen Wochen verabschiedet hatten, ohne zu wissen, dass wir uns so
bald wiedersehen würden, zwischen all den Steinen und Säulen, auf den lauten
Straßen vor dem Krankenhaus, wo Évi früh am Morgen in ihren bunten Kleidern,
ihren Schuhen mit Absätzen aus Holz wartete, wenn Aja über Nacht hatte
arbeiten müssen. Es war komisch, Évi an unserem Herd zu sehen, wo sie ein
Geschirrtuch um ihre Hüften band und kochte, was Ellen und meine Mutter auf
den Märkten besorgt hatten oder auf dem Vorsprung vor unserer Küche, den Évi
Terrasse nannte und auf den sie sich setzte, um den Himmel nach Wolken
abzusuchen, als sei es ein Spiel, in seinem Blau irgendwo ein Weiß zu finden.
     
    Es war, als sei nicht nur Évi,
sondern ganz Kirchblüt mit ihr gekommen, als habe Évi es in ihren Koffer
gepackt und mitgebracht, als habe sie die Häuser in den Rosengärten eingesammelt,
unsere Linden und die Feldwege aus Staub, das Glöckchen des Fotoladens, die
kleinen Geschäfte rund um den großen Platz, den Wald mit seinem See, den
Friedhof mit seinen gusseisernen Toren, als habe sie den Koffer in unserer
Küche geöffnet, und alles sei herausgesprungen und habe sich aufgestellt zu Évis
Füßen, neben ihren Absätzen aus Holz auf unseren Steinböden. Jetzt, da Évi
sich durch unsere Küche bewegte, war auch Kirchblüt hier, als liege es nicht
zwei Länder weiter, wenige Hügel von den Ufern des Neckars entfernt, hinter den
ersten dichten Wäldern, sondern als sei es dort, wo Évi war, als würde es ihr
folgen, sobald sie sich aufmachte und es verlassen wollte. Wenn die Mauern am
Abend ihre Wärme abgaben, schien ein großer römischer Mond auf die kleinen
Häuser Kirchblüts zu Évis Füßen, wenn Évi für uns auftischte und meine Mutter
bald losziehen würde, um den Spuren meines Vaters zu folgen, wenn sie über die
Via Antonelli lief oder ein Taxi zu den großen Lagerhallen nahm, als könne sie
zwischen Leitplanken und Lastwagen etwas entdecken, das die Lücken schließen
und ihr auf die Fragen, die sie nachts aufscheuchten, eine Antwort geben
würde.
     
    Wenn ich schlecht über meine
Mutter redete, schimpfte Aja mit mir, weil sie ihr alles verzieh und nachsah,
seit sie vor vielen Wintern auf unserem roten Sofa gesund geworden war, seit
meine Mutter Handwerker bestellt hatte, um Ajas Fenster abdichten zu lassen,
seit sie Aja die ersten passenden Schuhe geschenkt hatte, seit sie Hand in
Hand mit mir die Häuser rund um den großen Platz abgelaufen war, damit die
Leute wieder Évis Kuchen bestellten. Aja hatte verstanden, warum meine

Weitere Kostenlose Bücher