Bank, Zsuzsa
schauten,
aber dann sah es aus, als habe Évi gar nicht zu fragen brauchen, als wären sie
auch so geblieben, weil es ihnen gar nicht in den Sinn kam, den Bus zurück
nach Rom zu nehmen, jetzt, da schon keine Züge mehr fuhren. Meine Mutter hatte
noch nie im Freien übernachtet, bei Ellen war ich mir nicht sicher, aber
vielleicht wollten sie Évi diesen Wunsch nicht abschlagen, vielleicht sollte
diese Nacht eine Art Belohnung sein, schließlich waren sie es, die Évi gedrängt
hatten, nach Rom zu fliegen. Aja besang den weiten Ostiahimmel über uns: Wie
ist die Welt so stille, und in der Dämmerung Hülle, so traulich und so hold,
und ich musste mich nur auf die Seite drehen, um meine Mutter, und nur meinen
Kopf heben, um Ellen zu sehen, die zum Steg spazierte, jetzt, da die Hitze
nachgelassen und sie den Hut abgelegt hatte, um ihr hellblondes Haar zu
zeigen, das sich wie ein Umhang auf ihren Rücken legte. Ich konnte es nicht
glauben - meine Mutter lag neben mir auf einem Handtuch im kalten Sand und
suchte nach Sternbildern. Wenn ich in der Nacht aufwachte, konnte ich Évi
sehen, die ihren Blick auf den Mond gerichtet hatte, ihre langen geschwungenen
Wimpern im schwachen Licht der Straßenlaternen wie winzige Bürsten, neben ihr
Aja und Karl, die Arme und Beine ineinander verschlungen, Ajas Kopf an Karls
Schulter, ihre Füße versteckt unter dem hellen Stoff seiner Hose. Es machte
mir nichts mehr, sie so zu sehen, es passte zum Sichelmond, zu den leeren,
sandbemalten Gläsern vor ihren Füßen, zu den Liegestühlen, die auf Sommergäste
warteten, zu den schmalen Wegen aus Beton, die vom Strand zur Straße führten,
und zu den hellen Tagen, die zu mir zurückgekehrt waren und einander ablösten,
seit unsere Mütter nach Rom gekommen waren.
Wir drehten die Kalenderblätter,
der Tag der Abreise rückte zu schnell heran. Évi musste Aja Abend für Abend
versprechen, spätestens im nächsten Jahr an Ostern wiederzukommen, wenn Aja
einen Klappstuhl für sie auf den Petersplatz stellen und ihn gegen andere
verteidigen würde. Ellen hatte sich gewünscht, an die Strände zu fahren, an denen
Karl und Ben in einem anderen Leben, zu einer anderen Zeit, einmal Burgen
gebaut hatten und Ellen sie am Bund ihrer Badehosen herausgezogen hatte, wenn
sie ins Wasser gesprungen waren und noch nicht hatten schwimmen können. Ellen
lieh sich einen großen Wagen und fuhr uns früh am Morgen, als es in Rom noch
kühl war, aus der Stadt und über Küstenstraßen bis hinter Salerno. Évi hatte
aufgehört zu reden. Sie schaute aufs weite Meer, und wenn wir ausstiegen,
schüttelte sie den Kopf, als könne sie nicht begreifen, es hörte nicht auf, es
lag da, jedes Mal, wenn Ellen den Wagen abstellte, weil sie fand, wir sollten
aussteigen und über die Bucht schauen. Wir wunderten uns nicht länger über
Ellen, weil sie einen Wagen leihen und ihn über Küstenstraßen lenken konnte,
ohne die Karte aufgeschlagen zu haben, weil sie anhielt und es zuließ, sich an
Tage zu erinnern, die zu einer anderen Zeit gehörten und längst verloren waren.
Die Dunkelheit vor ihren Augen war verschwunden, Ellen konnte sehen, durch
ihre Sonnenbrille mit den großen runden Gläsern konnte sie sehen, und sie
wollte uns zeigen, was sie sah, als wäre uns das weite Blau vor der Küste nicht
selbst aufgefallen, als hätten wir es nicht bemerken, als hätten wir in eine
andere Richtung schauen und daran vorbeifahren können.
Ellen hielt an den steilen Treppen
zu einem kleinen Strand, den sie daran wiederzuerkennen glaubte, wie seine
silbergrauen Felsen an den Hang geworfen waren. Bevor sie hinabstieg, setzte
sie den Sonnenhut mit der breiten Krempe auf und band ihn unterm Kinn fest,
weil ein Wind aufgekommen war, der Wellen über den Sand schickte, wie wir sie
hier noch nie gesehen hatten. Évi zog Rock und Bluse aus, lief in ihrem
buntgestreiften Badeanzug ans Wasser und hielt Gesicht und Hände in die Gischt,
um sich nassspritzen und das Salz als weißen Film auf ihre Haut zu lassen,
die sich in wenigen Tagen dunkel gefärbt hatte. Im Wind spürten wir die Sonne
kaum, er wehte den Sand auf Stühle und Decken, riss Karl die Straßenkarte aus
der Hand und jagte sie über den Strand. Die kurze Nacht und lange Fahrt hatten
uns müde gemacht, mittags dösten wir im Schatten der Felsen und wachten auf von
den lauten Rufen der Küstenwache, die von Stuhl zu Stuhl, von Decke zu Decke
lief und nach einem Schlauchboot fragte, einem gelben Schlauchboot mit
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