Bank, Zsuzsa
Paddeln,
und nach einem Jungen, der hier vor ungefähr einer Stunde ins Boot gestiegen,
losgerudert und mit der Strömung weggedriftet sein musste. Niemand hatte ihn
gesehen, niemand wusste etwas zu sagen, auch wir nicht, unter den flachen
Wolken dieses grellblauen Himmels, die auf einer Höhe lagen und sich trotz des
starken Windes nicht zu bewegen schienen, über einem Meer, in dem keiner badete
und über das mit lautem Tuckern ein Rettungsboot fuhr, und wenig später ein
Hubschrauber flog, dessen Dröhnen uns die Köpfe heben ließ. Nicht weit vom
Strand blieb er in der Luft stehen und setzte ein Kräuseln auf die Wellen, bis
er plötzlich höher stieg und schnell hinter den Klippen verschwand. Ellen und
Karl hielten die Hände als Schirm über die Augen und schauten übers Meer, das
hellgrün vor uns lag. In ihren Blicken konnte ich sehen, Ben war in ihre
Gedanken, er war in ihre Köpfe gesprungen und lief mit seinen kleinen Jungenschritten
auf und ab, als suche er nach einer Öffnung, so wie Aja in den Schweizer
Tunneln, wenn sie aus dem Wagen schaute und sich beschwerte, weil es zu wenige
Aufgänge gab. Mich überkam ein Gefühl wie damals in Salerno, als mich Aja und
Karl zum Bahnhof gebracht hatten, als bewege sich alles auf etwas zu, aber ich
könne es weder erkennen noch aufhalten. Das Meer, vor dem ich mich nie
gefürchtet hatte, war mir unheimlich geworden, weil ein Hubschrauber die Küste
abgeflogen und nach einem Jungen gesucht hatte, den die Strömung mitgenommen
haben musste, während wir die Augen geschlossen und unter der Mittagssonne
gedöst hatten, und als wir über die Küstenstraße zurück nach Norden fuhren,
hatte ich keine Lust mehr, es noch länger anzuschauen.
Am letzten Abend führte uns meine
Mutter in ein kleines Lokal nicht weit vom Campo de' Fiori, das sie zwischen ihren
Gängen rund um die Via Antonelli entdeckt hatte, auf der Suche nach dem einen
Gesicht, mit dem sie den Reigen halber Bilder würde vollenden können. Wir saßen
unter Markisen, die Kellner legten ihre Blicke auf Ellens blondes Haar, und Évi
sagte, hoffentlich habe es zu Hause genug geregnet, sonst würde ihr Garten noch
verkümmern. Es klang nicht, als habe sie wirklich Angst davor, schon weil es im
Mai immer genug Regen gab in Kirchblüt, es klang nur, als müsse sie sich Mut
machen, in ein Haus ohne Aja zurückzukehren, als wolle sie schon jetzt eine
Brücke schlagen nach Kirchblüt, um es tags darauf auszuhalten, mit Ellen und
meiner Mutter in ein Flugzeug zu steigen, das sie weg von hier und in weniger
als zwei Stunden zurückfliegen würde. Kirchblüt schien auf einem anderen
Kontinent zu liegen, den Évi mit ihrem Pass für zehn Tage verlassen hatte, an
denen sie ausgesehen hatte, als habe sie Aja etwas sagen wollen, als habe sie
immer auf den rechten Augenblick gewartet, und er sei ihr jedes Mal
entglitten, weil sie keinen Anfang gefunden habe. Ich dachte daran, wie Évi
geschwiegen hatte, als wir ihr damals eröffnet hatten, wir würden nach Rom
fahren und vorerst nicht zurückkommen, wir würden bleiben, solange unser Geld
reichte, und wie sie getan hatte, als könnten diese Wörter nicht im selben
Satz stehen, als fänden sie keinen Platz nebeneinander und ergäben zusammen
keinen Sinn - Geld und Rom und nicht zurückkommen. Der Blick, den sie Aja über
die Tischdecke zuwarf, während sie an der Gabel zupfte und die Serviette
glattstrich, ließ mich glauben, sie habe Aja jeden Tag sagen wollen, sie solle
Rom verlassen und Évi zurück nach Kirchblüt begleiten, obwohl es nicht zu Évi
passte, von Aja etwas zu fordern, überhaupt etwas von jemandem zu verlangen,
so wie sie auch von Zigi nie verlangt hatte, er solle bleiben und den Bus
lieber nicht nehmen, der ihn im Herbst unter Kastanien über die breite Straße
hinaus aus Kirchblüt brachte.
Évi hatte ihr buntes Haarband
neben dem Herd vergessen, das sie abgenommen hatte, jedes Mal, nachdem sie für
uns gekocht hatte, und Aja trug es, seit unsere Mütter abgeflogen waren und
uns neben den Lirescheinen, die sie unter unseren Kopfkissen versteckt hatten,
nur den Nachklang ihrer Stimmen gelassen hatten, der nicht zum Fenster hinauswollte,
so weit wir die Läden auch öffneten. Sie hielt ihr wirres Haar damit aus der
Stirn, und wenn ich sie ansah, musste ich an Évi denken, wie sie früher einmal
an Zigis Seite, mit Aja auf ihrem Arm ausgesehen hatte, auf den wenigen
Bildern, die über der Liege in ihrem Zimmer hingen. Aja band es im Nacken
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