Bank, Zsuzsa
Mutter
es bald den Angestellten, zu bleiben oder zu gehen. Alle, die sich auf die
Zimmer an den schmalen Gängen verteilten, selbst die Fahrer und Packer, die
wenig von den Büchern verstanden und vor dem Schreibtisch, der jetzt meiner
Mutter gehörte, auf neue Aufgaben warteten, sagten, sie würden bleiben wollen,
sie könnten warten, noch ein wenig könnten sie warten, auch wenn ihr Lohn erst
mal nicht gezahlt würde, und meine Mutter fing an, sich Tag für Tag durch die
Bilanzen zu arbeiten, Abend für Abend durch die Briefe, die Rechnungen und
wenigen Aufträge, die ihr geblieben waren und über denen sie nachts einschlief.
Alles musste sie lernen, alles musste sie neu lernen, zu zählen, zu denken,
selbst zu reden. Sie hob den Telefonhörer und führte Gespräche in die Luft
hinein, sie redete mit Leuten, die sie in Gedanken auf die beiden Sessel neben
den Rauchtisch unters große Fenster setzte, sie ging durchs Zimmer und
versuchte ihre Hände nicht zu bewegen, sie ruhig zu halten, weil sie glaubte,
es gehöre zum sicheren Reden, das sie jetzt einübte, wann immer sie zwei
Minuten hatte, auch das schnelle Unterzeichnen, bei dem ihre Schrift flacher
und die Buchstaben unseres Namens von Mal zu Mal undeutlicher wurden. Sie nahm
Italienischstunden bei einer jungen Frau aus Triest, die sich an zwei Abenden
der Woche zu ihr an den Schreibtisch setzte, und sie las französische und
englische Zeitungen, um sich in die Sprachen wieder einzufinden. Spät am Abend,
wenn sich die Räume geleert hatten und die große Glastür viele Male ins Schloss
gefallen war, stand sie vor den Landkarten und fuhr mit einem Zeigestock über
die Wege, bis die schwarzen Linien vor ihren Augen verschwammen und ihr
schwindlig wurde von den unzähligen Namen der Städte, Straßen und Häfen. Nachts
drängte sich ihr noch etwas in den Sinn, das sich mit einem Lastwagen den Weg
in ihren Traum gebahnt hatte, der über eine falsche Straße zu einem falschen
Hafen gefahren war, und sobald sie die Augen öffnete, schlug sie schon die
Decke zurück und zog den Mantel über, der neben ihrem Bett auf einem Stuhl lag.
Dann lenkte sie den Wagen langsam durch leere Straßen, weil sie zu dieser
Stunde ein wenig brauchte, um zu sich zu kommen und klare Gedanken zu fassen.
Bis es hell wurde, saß sie am Schreibtisch und rechnete an einer lauten
Maschine, in der sich das Papier weiterdrehte, jedes Mal, wenn sie auf die
rote Taste gedrückt hatte, änderte Zahlen und Routen, setzte die richtigen
Wörter in einen Brief, die ihr tags zuvor nicht hatten einfallen wollen, und
wenn der erste Fahrer am Morgen die Treppen hochkam, fand er sie schlafend, ihr
Kopf auf ihren verschränkten Armen, unter dem Mantel der Saum ihres Nachthemds
auf ihren nackten Füßen, und da er nicht wagte, an ihre Schulter zu tippen,
blieb er am großen Fenster hinter dem Rauchtisch stehen und wartete, bis sie
erwachte.
Meine Mutter hörte auf, Schuhe mit
Absätzen zu tragen, die sie beim schnellen Laufen störten, und von denen ihr am
Abend die Füße geschmerzt hatten, wenn sie viele Male über die Flure und über
den Hof zu den Lagerhallen gelaufen war, um mit jedem zu reden, von dem mein
Vater einmal gesprochen hatte. Sie warf die alten Schuhe in die Kleidersammlung
der Kirche, ließ ihren Pferdeschwanz abschneiden, und, obwohl sie blass
geworden war in diesen Wochen, das Haar zwei Töne heller färben, dass es in
der Sonne fast blond aussah. Sie fing an, es mit einem spitzen schwarzen Kamm
zu toupieren, zwei Strähnen so zwischen ihren Fingern zu drehen, dass sie sich
vor ihren Ohren auf die Wangen legten, und wehrte sich nicht, wenn sie jetzt
das Mädchenhafte an sich verfliegen sah. Die Kette mit den großen Perlen, die
mein Vater ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, trug sie nun jeden Tag, und
ihren Ehering legte sie auch beim Baden nicht mehr ab. Aber die Hälfte des
Ehebetts ließ sie abbauen, weil ihr die Leere den Atem nahm und ihr das dunkle
Holz zu hart und zu kalt geworden war, wie sie sagte. Die Kleider und Schuhe
meines Vaters verschenkte sie an den Erstbesten, der ihr einfiel und dem sie
sagte, er müsse sich beeilen, zu lange könne sie es nicht aushalten, wenn er
die Kisten über die Treppen wegtrage und in den Wagen lade. Mit dem Fahrrad
fuhr sie nicht mehr. Seit es in die Garage gestellt worden war, hatte sie es
nicht mehr angeschaut, und sie sträubte sich lange, eins für mich zu kaufen.
Sie mied Schiffe und Schiffsterrassen, und wenn Évi in den Anfängen
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