Bankgeheimnisse
befürchtet hatte.
Nachdem sie ausgestiegen waren, brachte der Chinese sie zu Fuß einige hundert Meter weit zu dem Treffpunkt, wo Wiking, Strass und Amery zu ihnen stoßen würden.
In höflichem Ton erklärte der Chinese, daß es noch etwa fünf Minuten dauern würde. Er wies auf eine Parkbank und verschwand, ein zierlicher, leichtfüßiger Schatten unter den Bäumen. Sie warteten schweigend. Helmberg hatte seinen eleganten dunkelroten Aktenkoffer mitgebracht, ein grotesker Gegensatz zu den Knickerbockern, die er trug. Er wechselte den Koffer im Minutenabstand von einer Hand in die andere und versuchte halbherzig, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Leo reagierte einsilbig; er war merkwürdig in sich gekehrt. Ihr selbst war ebenfalls nicht nach Small talk zumute. Sie atmete tief ein. Die Luft war feucht und frisch und roch nach Wald und Erde.
Amery, Strass und Wiking kamen kurz darauf hinter einer Gruppe hundertjähriger Eichen in Sicht. Sie hatten ihr Mittagessen in einem der vornehmen Restaurants eingenommen, von denen es mehrere im Bois de Boulogne gab. Amery schritt rüstig aus; selbst aus der Entfernung wirkte er gut aufgelegt. Er trug einen ähnlichen Anzug wie gestern, aber von robusterem Material, dazu eine Windjacke aus Goretex und derbe Wanderstiefel, die aussahen, als würden sie regelmäßig getragen. Neben seiner schlanken, drahtigen Gestalt wirkte Wiking massig und schwerfällig. Wiking machte in seiner funkelnagelneuen Wanderkluft einen kläglich deplazierten Eindruck. Man merkte sofort, daß spazierengehen nicht gerade zu seinen Hobbys gehörte. Er war blaß um die Nase. »Sieh ihn dir an«, sagte Leo zwischen den Zähnen halblaut zu Johanna, »wahrscheinlich mußte er Austern essen. Oder etwas anderes Rohes. Er ist grün im Gesicht.«
Strass trottete mit mißmutig verkniffenem Mund hinter Amery und Wiking her. Johanna registrierte amüsiert, daß er einen Jägerhut mit wippendem Gamsbart trug. Seine grüne Lodenjoppe ließ ihn noch korpulenter wirken, und seinem geröteten Gesicht war anzumerken, daß das Laufen ihn anstrengte.
Amery begrüßte sie alle mit Handschlag. Er strahlte, schien in seinem Element. Johanna fühlte leichtes Unbehagen, als er sie unterfaßte und sich mit ihr an die Spitze setzte. Sie gingen eine Weile, umrundeten einen der Seen. Amery plauderte, erzählte, daß er vergangene Woche erst hier in der Nähe gewesen sei, auf dem Rennplatz von Auteuil, ohne jedoch Glück bei seiner kleinen Einlaufwette gehabt zu haben. Er schilderte den prachtvollen Rosengarten rund um das Schlößchen Bagatelle, schwärmte von dem betäubenden Duft, der den Blüten im Hochsommer entströmte. Sie hörte sich alles an, warf ab und zu eine nichtssagende Bemerkung ein und wartete auf ihr Stichwort. Er roch nach einem teuren After-shave und nach etwas anderem. Ein schwacher, medizinischer Geruch. Die Hand, die auf ihrem Arm lag, war sorgfältig manikürt. Der Ring, der ihr schon gestern abend beim Essen aufgefallen war, trug eine Gravur. Sie sprach ihn darauf an.
»Ein Wappen«, erklärte er. »Meine Ahnen stammten aus fürstlichem Geblüt, wie man so schön sagt. Alter französischer Adel. Daher auch der Name.« Sie nickte mechanisch, ohne echtes Interesse. Ungeduldig blickte sie über die Schulter nach hinten. Die anderen waren einige Dutzend Meter zurückgefallen. Amery war bei der Wahl seines Tempos nicht zimperlich. Obwohl Johanna nicht gerade unsportlich war, hatte sie aber ebenfalls Mühe, sich seinen flotten Schritten anzupassen. Sie sah sich suchend um. »Ich sehe Ihren Bodyguard nirgends. Kommt er nicht mit?«
»Jorge hält sich in der Nähe auf, das reicht. Ich kann es nicht ausstehen, wenn er mir ständig ins Genick schnauft beim Wandern.« Sie überlegte, wie sie zum Zweck ihres Treffens kommen konnte, ohne übereifrig zu wirken, als er im nächsten Moment selbst die Rede darauf brachte.
»Außerdem wollte ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Wahrscheinlich warten Sie schon ungeduldig darauf, mir etwas erzählen zu können.«
Sie nickte, wollte zu ihren vorbereiteten Erklärungen ansetzen. Er hob die Hand und schüttelte den Kopf. »Bitte nicht. Sie würden mir nichts sagen können, was ich nicht schon weiß, Johanna.« Am Rande ihres Erstaunens registrierte sie, daß er sie beim Vornamen nannte. Aus seinem Mund klang es nicht unhöflich, nur zwanglos, ein Privileg des reichen alten Herrn gegenüber der guten jüngeren Bekannten.
»Ich hatte in den letzten Wochen reichlich
Weitere Kostenlose Bücher