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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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ich habe mich dir gegenüber nicht gerade gut benommen.«
    »Nein, das hast du nicht. Du hast mich zurückgestoßen, als ich dir helfen wollte. Aber das ist jetzt egal. Es macht nichts.«
    »Warum nicht?« In seine Wangen war etwas Farbe zurückgekehrt, das Schmerzmittel schien zu wirken. »Warum macht es nichts, Johanna?«
    »Weil du mein Bruder bist«, sagte sie schlicht. »Ich würde alles für dich tun.«
    Seine Lippen zitterten, und plötzlich stürzten Tränen aus seinen Augen. »Ich bin nicht gut für dich. Du hast nur Ärger meinetwegen. Du hattest immer Ärger meinetwegen!«
    »Micky«, flüsterte sie, »du dummer, dummer Junge!« Sie trat einen Schritt auf ihn zu, überbrückte die Entfernung, die sie noch von ihm trennte und schlang die Arme um ihn. Sie preßte ihren Kopf an seine Schulter, wie neulich im Zoo, neben den stinkenden Terrarien des Exotariums. Aber diesmal stieß er sie nicht zurück. Er legte unbeholfen beide Arme um sie und drückte sie an sich, die verletzten Hände steif hinter ihrem Rücken weggestreckt. Sie standen minutenlang da, aneinandergedrängt wie trostsuchende Kinder. Unter dem Geruch von Angstschweiß, Blut und Regen nahm Johanna den schwachen Seifenduft an seinem Hals wahr. Es war die Seife, die sie als Kinder benutzt hatten. Sie hatte ihn mit dieser Seife gebadet, als er ein Baby gewesen war. Später hatten sie zusammen in der Wanne gesessen und mit der Seife Berge von Schaum erzeugt. Er hatte nichts von all dem vergessen. Warum? dachte sie. Warum konnten wir von uns nicht mehr über die Zeit retten als den Geruch von Kinderseife und die Erinnerung an ein buntes Spielzeug?
    Zögernd machte sie sich schließlich von ihm los. »Wir müssen fahren. Ich ziehe mir schnell trockene Sachen über. Unterwegs kaufe ich etwas zu essen. Und heißen Kaffee, der bringt dich wieder auf die Beine.« Sie ging zum Schrank, suchte Jogginghosen, Pulli und Turnschuhe heraus und eine regenfeste Jacke. Während sie das nasse Kostüm auszog und die frischen Sachen überstreifte, meinte sie: »Wenn ich dich untergebracht habe, gehe ich zur Staatsanwaltschaft. Morgen, sobald sie ihr schäbiges Büro aufschließen.«
    »Damit sie dich an meiner Stelle einsperren?«
    »Warum sollten sie das tun?« Sie band die Turnschuhe zu, schlüpfte in die Jacke und schloß die Knöpfe.
    »Immerhin hilfst du einem entflohenen Sträfling.«
    »Ja, das nennt man Strafvereitelung.« Aus den Tiefen des Schranks holte sie einen alten Taschenschirm. »Aber Angehörige werden nicht dafür bestraft.«
    Er stand abwartend an der Tür. Die verbundenen Handgelenke stachen weiß gegen seine dunkle Kleidung ab. Ärmel und Hosenbeine waren ihm viel zu kurz. Er wirkte kindlich und hilflos. »Bist du soweit?«
    »Gleich.« Sie ging voraus in die Diele, nahm ihre Handtasche von der Garderobe und fuhr sich vor dem Spiegel mit dem Kamm durch die Haare. Sie lagen naß und schwer am Kopf, genau wie bei Micky, dessen Gesicht sie schräg hinter sich im Spiegel sah. Merkwürdig, dachte sie, mein Mann gleicht mir mehr als mein eigener Bruder. Johanna blieb reglos stehen, die Hand mit dem Kamm schwebte in der Luft. Michael und Johanna Sonntag. Sonntagskinder, hatte ihre Mutter immer scherzhaft gesagt. Aber seit jenen Tagen war es niemals mehr Sonntag für sie beide geworden.
    »Wir gehen«, sagte sie entschlossen und steckte den Kamm weg. Sie öffnete die Tür, wobei sie flüchtig daran dachte, daß sie noch die Blutflecken im Treppenhaus aufwischen mußte.
    Dann war jeder Gedanke ausgelöscht. Sie wurde so stark vom Schrecken überwältigt, daß sie nicht mehr atmen konnte. Schirm und Tasche fielen ihr aus der Hand. Sie hörte das Geräusch nicht, mit dem beides auf dem Boden aufschlug. Ein Mann stand in weniger als einem halben Meter Entfernung vor ihr. Er war groß und kräftig gebaut und dunkel gekleidet. Er trug eine schwarze Lederjacke, dunkelblaue Jeans, schwarze Lederschuhe. Sein Kopf war vollständig von einer schwarzen Strickmütze bedeckt, nur mit einem Schlitz für die Augen, die er zusätzlich hinter einer Sonnenbrille verborgen hatte.
    Er hielt ein glitzerndes, merkwürdig gezacktes Einbruchswerkzeug in der Hand, das er jetzt sinken ließ. Fast nachlässig stieß er Johanna von der geöffneten Tür weg, in die Diele hinein. »Was...«, begann Micky überrascht. Der Mann fuhr zu ihm herum, die Hand mit dem glitzernden Ding zuckte durch die Luft, an Mickys Hals vorbei, gefolgt von einem dünnen, pulsierenden Blutstrahl. Mickys

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