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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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auch wenn eigentlich alles dafür spricht, dass wir zusammen sind: Sonntag, Gemeinschaftstag, so ist es halt. Die Kellnerin kam mit den Waffeln. Ich verteilte die gesamte Marmelade und die Sahne bis über den Waffelrand und aß. Währenddessen ging eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn zum Tresen. Er hing an ihrem Hosenbund und schielte zu dem Mädchen. Die Mutter wirkte unruhig, während sie darauf wartete, dass die Kellnerin die sitzenden Gäste mit Waffeln versorgte, sie verlagerte ihr Gewicht mehrfach von einem Bein auf das andere und lehnte sich auf die Theke: »Entschuldigung Fräulein, kann ich nicht eben bestellen?« Die Kellnerin bat sie, einen Augenblick zu warten, und flitzte mit zwei Tellern in den Essbereich. Das passte der jungen Frau, aus der ich eine Mutter gemacht hatte, überhaupt nicht, und plötzlich hatte ich das Gefühl, ihr den vergangenen Abend anzusehen: Das Abendessen, das sie und ihr Ehemann für ihre Freunde gekocht hatten, die ganze Gruppe rund um den schwer beladenen Esszimmertisch, soßige Teller, rußige Alufolie von gebackenen Kartoffeln, leere Weinflaschen, halb abgebrannte Kerzen und später im Wohnzimmer Grand Marnier und Kaffee in einem fort; jemand erwähnte Irish Coffee, und kurz darauf erschien er vor dem, der diese allseits positiv aufgenommene Idee gehabt hatte, Irish Coffee fand er so köstlich, dass alle ein Glas nahmen, Gläser, mehrere Gläser, obwohl die Sahne zur Neige ging, Whisky sei ohnehin die Hauptzutat beim Irish Coffee und Cognac in bauchigen Gläsern alles andere als schlecht, eine Freundin singt mit und sagt, dass sie schon unglaublich lang nicht mehr Sálin gehört habe, und schon bald tanzen alle und singen mit Stebbi Hilmars, außer dem Hausherrn, der wankt in die Küche, tänzelt betrunken herum, während er russisches Kokain für alle zurechtmacht … Und damit ist das Abendessen endgültig außer Rand und Band geraten. Daher war sie nun zu verkatert, um dort zu stehen und zu warten, zu verkatert, um nicht im Bett oder vor der Glotze auf dem Sofa zu liegen. Sie atmete durch den Mund und schien einen steifen Hals zu haben, das Haar war fettig und am Hinterkopf verwuschelt. Der Sohn war früher als gewünscht von seinem besten Freund nach Hause gekommen, und jetzt lehnte er sich gegen die Hüfte seiner Mutter, die ihm durchs Haar streichelte, während sie wirsch zwei Waffeln, einen heißen Kakao und ein großes Glas Wasser bestellte. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass der Ton, mit dem sie »Dankeschön« sagte, nachdem sie den Beleg unterschrieben hatte, und die Art, wie sie sich Zeit für das Ö nahm, als wäre es nicht eines, sondern zwei oder drei, ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass in alldem eine Bitte um Verzeihung gegenüber der Gymnasiastin steckte, die vielleicht zwei oder drei Tage in der Woche dort kellnerte, dass sie nach allem um Verzeihung dafür bat, dass sie zu verkatert war, um ein geduldiger Gast und eine liebevolle Mutter sein zu können.
    Ich hatte längst aufgegessen, als Harpa kam und sich an der anderen Seite des Tisches auf einen Hocker setzte. Sie hat die Kaninchenfelljacke nicht ausgezogen, sie noch nicht einmal aufgeknöpft. »Lass uns einen richtigen Spaziergang machen, du weißt schon, einen Spaziergang, der nicht nur ein längerer Nachhauseweg ist. // Meinst du einen Spaziergang, der so lang ist, dass wir nicht wissen, ob wir zurückkommen? // Nicht zurückkommen? Nein, vielleicht nicht ganz so lang. Es ist nur so schön mild draußen.« Bevor ich zustimmte und sagte, dass ein Spaziergang eine gute Idee sei, befürchtete ich, dass sie mir etwas sagen möchte, eine schlechte Nachricht oder ein Geheimnis, das sie bedrückt. Es war genau so ein milder Wintertag, auf dem Heimweg von der Nationalbibliothek, als sie mir sagte, dass sie schwanger sei, bestimmt auf der Wiese, bevor wir die Suðurgata überquert haben, ganz sicher mitten auf der Wiese, denn meine Erinnerung an den Weg reicht nicht weiter.
    Aber falls sie mir etwas sagen musste, das nur unter freiem Himmel gesagt werden kann, damit es mich nicht in Stücke reißt, dann hat sie auf diesem Spaziergang, der nicht so lang wurde wie geplant, geschwiegen.
    Wir sind den Skólavörðustígur hochgelaufen, den ganzen Weg bis auf den Hügel. Auf diesem Wegstück hat Harpa mir von Leuten erzählt, von denen sie kürzlich gehört hatte und die das Land verlassen wollten, zwischendurch haben wir geschwiegen. Ich habe mir die Hallgrímskirche genau angesehen, was

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