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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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natürlich, im Stil des Mantels. Sie hat noch 24 Minuten auf der Parkuhr übrig. Ich sehe die Anzeige durchs Fenster, wenn ich mich ein bisschen zur Seite lehne, und ich kann mich gut zur Seite lehnen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Es wird bald fünf Uhr, und außer dem Mädel an der Bar ist niemand hier außer mir und dem Kerl, der eine so zerschlissene Hose anhat, dass überall die rosakarierte Frauenschlafanzughose durchschimmert, es bringt ihn nicht aus der Ruhe, wenn sich jemand zum Fenster lehnt, um besser nach draußen sehen zu können – und abgesehen davon ist er auch zu sehr mit dem roten Mund der jungen Frau beschäftigt, diesem Bogen des Amor.
    Die Zeit vergeht wie ein Countdown. Die Peugeot-Frau hat noch 21 Minuten. Na klar, die Zeit vergeht wie ein Countdown! Sie nimmt nicht zu, auch wenn die Datumszahl steigt, im Gegenteil. Die Zeit vergeht, sie weht ins Blaue und sammelt sich nicht auf einem Haufen an. Das erinnert mich an den Kalender in der Kantine des Fischereiverbands. Jeden Morgen hat der Chef den vergangenen Tag abgerissen und in den Mülleimer geworfen. Wenn er nicht da war, stand bei vielen die Zeit still. Nur solche Kalender sind ehrlich.
    Jetzt sind noch 19 Minuten auf der Parkuhr übrig, genauso viele, wie noch Tage von der Kündigungsfrist übrig sind. Neunzehn. Ich bin hierhergekommen, um eine Mail an Íris zu schreiben, wollte sie per Hand entwerfen und dann in den Computer tippen. Diese Mail muss richtig gut werden, ich muss wirklich auf die Macht der Worte vertrauen, nachdem ich wortlos abgehauen bin. Íris war nicht zufrieden mit mir, als sie mich an jenem Montag anrief. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, sie anzulügen, zu sagen, dass ich ein bisschen schlapp sei und gleich am frühen Nachmittag kommen wolle, habe dann aber doch lieber zugegeben, dass ich »es dort nicht mehr ausgehalten« habe. Deshalb muss ich mir Mühe geben, wenn Íris mir vertrauen soll, sie muss aus den Wörtern herauslesen, wie sehr ich mir wünsche, wieder unter ihren Fittichen zu stehen, die Aufrichtigkeit muss alles Beleidigende ausradieren und der Humor das Verlangen in ihr wecken, mich wieder ein zustellen, die Aufrichtigkeit und der Humor, die mir beide so fern sind, obwohl ich es sehr bereue, gegangen zu sein, und ich auf einmal glaube, dass ich gut dort arbeiten könnte. Nur für heute sollte ich es gut sein lassen und mich im Moment nicht an der Bittstellermail versuchen.

15. Januar – Donnerstag

    Vor ein paar Tagen habe ich das Dorf gegoogelt, als ich hier zu Hause vor Heimweh fast verrückt geworden bin – ja, wahrscheinlich war es nur Heimweh, was bei mir zurückgeblieben ist, als sie vor ein paar Tagen in den Westen gefahren sind, und Sehnsucht nach all den Tagen, die im Mülleimer des Fischereiverbands gelandet sind, seit ich zuletzt im Dorf war.
    Heimweh. Das war Nummer eins der verbotenen Gefühle, seit ich zum ersten Mal von zu Hause weggegangen bin. Nach zwölf Jahren des Versteckspiels hat es mich endlich am Schopf gepackt, hält mich zu allem Überfluss so gut im Griff, dass ich das Internet gebeten habe, mir alles zu zeigen, was es über mein Dorf weiß. Es waren einige Hundert Bilder. Ein Luftbild vom 7. März 2004, einem freundlichen Wintertag, hat mich besonders gefesselt. Offensichtlich hatte es die ganze Nacht vor der Aufnahme geschneit, der Schnee war strahlend weiß und lag über der ganzen Siedlung, im Tal und auf den Bergen zum Hochland hin, so dass man nur die gröbsten Felsvorsprünge sehen konnte, er sah so tief und locker aus, dass ich schon alleine durch die Schneewanderung mit den Augen außer Atem geriet.
    Das Foto ist jetzt das Hintergrundbild auf meinem Bildschirm, und der Heimwehanfall ist vorbei. Am ersten Tag habe ich es mir ganz genau angesehen. Ich habe unser Haus entdeckt und versucht, zu erkennen, ob der Jeep in der Garageneinfahrt steht, und als ich meinte, ihn zu sehen, habe ich versucht, das große Wohnzimmerfenster zu fixieren. Das war einfach, und plötzlich sah ich den Esszimmertisch, die gehäkelte Tischdecke unter der Keramikschale, und ich versuchte, das oberste Dokument auf einem kleinen Stapel auf der Anrichte zu entziffern, aber da hatte ich bestimmt schon lange die Augen zu.
    Nach Datum und Sonnenstand muss es 11:54 Uhr gewesen sein, als der Fotograf im Flugzeug den Auslöser gedrückt hat, und ich überlegte, womit ich wohl in diesem Augenblick beschäftigt gewesen war, zersplitterte aber in Gedanken, konnte mich nicht entscheiden, ob es

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