Bankster
Fahrgeräusch war zu hören, als wir am Rauðavatn vorbeifuhren und auf die Nebenstraße abbogen, Stille zwischen uns, bis schließlich ein kleines »Wow« aus mir herausschlüpfte. Kein »Wow, Liebes« oder »Wow, meine Harpa, du bist unglaublich«, nur ein undeutliches und einsames »Wow« in einem dreckigen BMW-Jeep auf einem kurvigen Pfad durch eine winterliche Lavalandschaft.
»Ich musste doch noch richtig für dich singen. Jetzt gerade hat es so gut gepasst.«
Wir sind von derselben Stelle aufgebrochen wie immer und in den Wald gelaufen. Das leise Knirschen des frostgetrockneten Schnees machte das immer wiederkehrende Schweigen zwischen uns erträglich. Wir unterhielten uns ausschließlich über den Ort, an dem wir uns befanden, über die Nadelbäume, die grüne Farbe im tiefen Winter, den leicht bitteren Duft, der den Atemorganen sicher guttut, darüber, wie viel gesünder die Bäume hier aussehen als in der Stadt und dass es wahrscheinlich daran liegt, dass das Ungeziefer den Winter in dieser Höhe nicht überlebt, in dieser Kälte … Die Luft war ganz besonders kalt. Meine Nase wurde schnell taub, und meine Lippen schrumpelten in der trockenen Luft. Ich fragte Harpa nach der Vaseline. Meine Feinmotorik war so miserabel, dass ich – nachdem ich die kleine Dose endlich aufbekommen hatte – viel zu viel nahm und nach dem Auftragen wie ein Überlebenskämpfer am Nordpol aussah, nicht wie ein Arbeitsloser bei einem romantischen Spaziergang in der Heiðmörk.
Daher sind wir keine Runde gelaufen, sondern denselben Weg wieder zurück, als wir weit genug spaziert waren. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, drang aber immer nur kurz zu uns durch, ansonsten liefen wir im eiskalten Schatten der Baumwände. Auf den letzten Metern fiel es mir schwer, die Augen offen zu halten, und ich fragte, ob man nicht auch sie mit Vaseline einschmieren könne. Harpa riet davon ab.
Der Jeep war noch aufgeheizt. Wir seufzten laut, als wir uns ins Auto setzten. Ich schaltete das Radio ein. »Ihr Liebenden, einen frohen Valentinstag!« Unangenehm, diese Nachricht aus der Werbepause. Wir sahen uns an und lächelten verlegen, bevor wir uns einen kalten, vaselineverschmierten Kuss gaben und ich den Gang einlegte.
15/2 – Sonntag
Harpa wollte wissen, ob wir neulich wirklich alle Werberegenschirme von der Bank entsorgt hätten. Ich glaubte schon. Seit heute Nacht haben wir Südwestwind, und es ist schlagartig wärmer geworden. Jetzt regnet es wie im Urwald, und es sieht ganz so aus, als müssten wir unseren Sonntagskaffee ausfallen lassen. Der Regen ist völlig sinnlos, eine unglaubliche Wassermasse, die keine Pflanze brauchen kann, sie reinigt bloß die Straße vom vollgepissten Schnee. Aber die Luft ist in der Tat richtig gut, wirklich köstlich. Ich war vorhin auf dem Balkon und habe so gierig geatmet, dass mir vom ganzen Sauerstoff schwindelig geworden ist und ich Punkte tanzen sah, aber jetzt fühle ich mich wacher denn je.
Später
Ich dachte, dass ich genug über diesen grauen Februartag geschrieben hätte, und war gerade dabei zu lesen, als Harpa zu mir ins Zimmer kam, sich aufs Sofa setzte und den Tag mit einer einzigen Frage zu dem machte, was er werden sollte, mit zwei geflüsterten Worten:
»Hörst du? // Den Regen? // Nein, vorne im Wohnzimmer. Die Musik. // … // Hör mal. // … // Hörst du nicht? // Psst. // Sigur Rós. // Ágætis byrjun? // Ja. // Lange her, dass wir dieses Album gehört haben. // Aber weißt du nicht mehr? // Was? // Kribbelt’s nicht bei dir? // Doch, seit du, seit du das da mit deinen Händen machst. // Die CD war in deinem Konfirmations-CD-Player, als wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben. // Das weißt du noch. // Und es war auf diesem Sofa. // Wo sonst? // Und wir waren total steif. // Natürlich. // Weißt du nicht mehr? // Doch, du hattest einen weinroten Pulli an, am Anfang jedenfalls. // Nein, ich hatte genau diesen Pulli an. // Aber irgendwann hattest du mal einen weinroten. // Ich glaube, ich habe nie einen weinroten Pullover besessen. // Entschuldige. Die Erinnerung kann aus hellblau weinrot machen. // Mit Leichtigkeit. // Standen nicht Kerzen auf dem Tisch? // Doch. // Die färben natürlich die Umgebung. // Ja. // … // … // Aber damals war es schwieriger, dich aufzuknöpfen. // Du warst so angespannt. // Oder der Pullover neu und die Knopflöcher eng. // Nicht wirklich neu …«
Kurz nachdem die Musik aufhörte, meinte Harpa, dass die Vorhänge nicht
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