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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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das Mädchen nicht ansehen zu müssen, um vielleicht etwas anstelle der Karte zu finden, die sie mir zurückgegeben hatte und die nichts wert war, nur eine Plastikkarte mit abgerundeten Ecken.
    Man braucht nicht lange, um eine Brieftasche zu durchsuchen, selbst wenn sie mit alten Quittungen, Kaffeekarten, einem abgelaufenen Schwimmpass und einem steifgepressten Tausend-Kronen-Schein vollgestopft ist. Ich war erleichtert, als ich das Geld fand, und sagte nur »Cash is king«. Das Mädchen lächelte und meinte, dass das immer mal wieder vorkäme, nach dem Zusammenbruch hätten viele Banken das Limit gesenkt. Die Erklärung erschien mir glaubwürdig, war aber kein Trost. Ich war nur froh, dass ich bezahlen konnte, mich nicht entschuldigen und meine Situation erklären musste, sagen musste, dass ich Stammkunde bin und beim nächsten Mal bezahle. Doch obwohl ich erleichtert war, wurde das Gefühl der Zurückweisung immer stärker, und als ich das Restgeld in der Hand hielt, das Kleingeld, das ich jetzt noch übrig hatte, war es, als würde sie einen Eimer kalter Kotze über mich kippen. Innerhalb eines Augenblicks hatte sich dieses Mädchen mit der hellen Stimme in einen alten Richter mit Rosshaarperücke, klobiger Kartoffelnase und blutunterlaufenen Wangen und Augen verwandelt, und die Worte »Limit überschritten« klangen wie eine Verurteilung zum Ausschluss aus der Gesellschaft, mit unendlich tiefer Stimme verkündet.
    Das war gestern. Jetzt bin ich an einem anderen Ort, was vielleicht ganz gut ist. Diese moosgrüne Bank ist weich und der Kaffee gut, und die Torten im Kühlregal schmecken sicher genauso gut, wie ihr Aussehen vermuten lässt, Geschmacksvermutung. Speichel.

1/3 – Sonntag

    »Tu so, als wäre ich nicht hier. Sag einfach nur, was du denkst.« Und Harpa tat so, als säße ich nicht neben ihr, sagte kein Wort. Noch nicht einmal ihr Atem veränderte sich. Sie sah allein fern, diese Doku über den Enron-Skandal. Ich spürte, wie mein Bauch immer fester wurde, sich immer mehr zusammenzog, er schien sich immer noch mehr verkrampfen zu können, während ich mir vorstellte, wie das isländische Wirtschaftswunder in den Dokumentationen der Zukunft wohl behandelt werden würde.
    Wir saßen jeder auf seinem Sofapolster, rückten nicht von der Stelle und schwiegen. Die Spalte zwischen uns war groß und tief. Ich fing an, über sie nachzudenken, über diese Spalte, fand es unangenehm, dass sie da war, so deutlich auf dem weißen Leder, wie die Kampflinie auf einem Schlachtfeld im Winter.
    »Na gut, tu so, als wäre ich hier. // … // Harpa? // Selbstverständlich sind wir beide hier. Ich habe nur ferngesehen und nichts gedacht.« Sie streckte ihren Arm nach mir aus, stieß an meine Schulter und ließ ihre Hand auf meinen Unterarm fallen, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen. Sie hätte sich genauso gut zur Rosinenschale strecken können.
    Konzerte

    Es fiel mir schwer, die Augen offen zu halten, trotzdem stand ich draußen unterm Dach auf dem Balkon. Das Wetter kam wie verrückt aus dem Norden, es regnete zwar nicht, stürmte aber so heftig, dass es aussah, als würde sich die Hausfront wellen. Ich hörte den Wind übers Dach heulen und gegen die gegenüberliegenden Häuser knallen, hörte deutlich, wie diese eiskalte Masse über die Gebäude auf dem Hügel fegte und wie eine schuppige Kreatur umherstreifte.
    Es war gerade dunkel geworden, und in der Luft hing ein löchriger Wolkenschleier in unendlich vielen violetten Tönen. Die einzige klare Farbe am Himmel war das rote Signallicht ganz oben auf dem Turm der Hallgrímskirche. Seine Umrisse waren sichtbar, diesmal zwar nicht beleuchtet, aber verstärkt durch die Kontur des Baugerüsts.
    Einige Minuten später stand ich oben auf dem Hügel. Der Wind hatte mich getragen und den Anstieg zu nichts gemacht, wie flaches Land bei Windstille. Ich wollte dorthin, um mir das Getöse im Baugerüst anzuhören – nicht, dass das irgendwie wichtig wäre, Begründungen haben im Leben eines Menschen, der nichts zu verlieren hat, kaum eine Bedeutung.
    Ich stellte mich an den Sicherheitszaun und stemmte mich gegen den Wind. Der Mantel schlackerte um meine Beine, und ich wurde von den Windböen vor und zurück geworfen, schwankte wie ein Sturzbetrunkener hin und her und hörte zu. Ich fand es alles andere als unwahrscheinlich, dass der Wind das Gerüst niederreißen würde, überall kämpften Schnüre und Kordeln mit Eisenpfosten und Gittern, hin und wieder stürzten

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