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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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mit gelbem Umschlag, einem aktionsarmen Text. Im Hintergrund hörte er ungewöhnlich viele und deutliche Geräusche. Sie schien sich schnell durch die Wohnung zu bewegen. Er sah sie oft im Türspalt auftauchen.
    Am Ende des Kapitels legte er schließlich das Buch beiseite und ging in den Flur. Vollkommene Stille in der Wohnung. Er überlegte, ob sie wieder gegangen war und die Tür leise hinter sich zugezogen hatte, ohne sich zu verabschieden – nein, sie war noch da. Die neonpinken Reisetaschen standen nebeneinander im Flur. Die Farbe stach ins Auge. Sie selbst saß am Küchentisch. Das Gesicht halb hinter der geballten Faust. Der Verlobungsring gut sichtbar am Mittelfinger. Die Augen ruhten auf der Tischplatte. Fünf leere Einkaufstüten auf dem Boden verteilt. Der Kühlschrank randvoll. Statt ihn zu durchstöbern, machte er ihn zu und fragte nach den Reisetaschen, ob sie die aus dem Schrank geholt habe. Sie sagte »Ja« und hob den Blick, und er begriff, dass sie auf ihn gewartet hatte. Ihre Unterarme fielen auf den Tisch, zwei Fäuste lösten sich und wurden zu gefalteten Händen: »Und ich habe sie gepackt. // Verlässt du mich? // Ich muss irgendetwas tun. // Verlässt du mich? // Du bist verschwunden, Markús, irgendwo. Ich weiß absolut nicht wo. Ich habe gesucht, so viel ich kann. // Verlässt du mich? // Ich denke, ich werde einen kleinen Schritt zurückgehen. // Verlässt du mich? // Wir müssen neu anfangen. // … // Komplett. // Aber verlässt du mich, Harpa? // Ich muss gehen, um wiederkommen zu können. // … // Vielleicht muss ich dich neu kennenlernen! // … // Mein Markús ist anscheinend eine Bank, die zusammengebrochen ist. // Verlässt du mich? // … // Verlässt du mich? // … // Verlässt du … // Ja!«
    Der Ring knallte gegen ihre Schneidezähne, als sie die Hand vor den Mund schlug. Das letzte Wort des Gesprächs schlüpfte durch ihre Finger. Das Küchenlicht spielte im Diamanten und in den Tränen.
    Er half ihr weder mit den Reisetaschen nach unten, noch trat er ans Wohnzimmerfenster, um zuzusehen, wie die Schwestern sie im Kofferraum verstauten und wegfuhren – erst als sie schon längst fort war, holte er Atem und konnte aufstehen. Ziellos lief er mit den Händen vorm Gesicht in der Wohnung herum. Er betete nicht, das laute Atmen schien ihn zu beruhigen. Er dachte an nichts. Er lief nur, weil er nicht stillhalten konnte, erst, als er sich an den Esszimmertisch stellte. Nach drei tiefen Atemzügen stieß er das unfertige Puzzle in alle Richtungen und schlug immer wieder mit geballten Fäusten auf die Tischplatte, wusste nicht, ob er irgendwann wieder mit dem Schlagen würde aufhören können. Die Schläge wurden noch lauter und der Rhythmus noch schneller, als die hochbeinige Kristallschale voller Zierobst erst auf den Stuhl, dann auf den Boden knallte, zerbrach und das letzte Geräusch vor einer langen Stille machte.
    Ohne Titel Nr. 2

    Er wachte. Ungeahnte Kraft steckte in ihm, unbegrenzte Kraft. Er wusste, dass er versuchen würde, sie zurückzugewinnen, sah unzählige Wege vor sich. Alle verlangten, dass er sie anruft – nein, nicht alle. Einige sahen vor, dass er zum Haus ihrer Eltern fährt und sich Romeo-mäßig verhält, vielleicht um Mitternacht ans Schlafzimmerfenster klopft, und wenn sie durch die Jalousie lugt, zu müde, um ängstlich zu sein, würde er etwas durch den Fensterspalt flüstern und vielleicht das Scharnier abschrauben und sie durch den Garten zum Auto bringen, aber solche Pläne waren in der Minderheit. Die Mehrheit begann mit einem Anruf und endete mit einer Einladung zu selbstgekochtem Essen bei Kerzenschein, Verlängerung nicht ausgeschlossen.
    Aber selbst am dritten Tag hatte er noch nicht angerufen und auch kaum geschlafen. Da rief sie an. Er sagte nichts, hielt nur den Hörer und wünschte sich, zuerst angerufen zu haben.
    »Hi. // Ich hätte dich fast nicht mehr erwischt. // Ja. Warst du im Badezimmer? // Nein, ich darf jetzt ruhig stinken. // … // Tue es aber trotzdem nicht. // Gut. // … // Wie geht es dir? // Ach, ich weiß nicht. // … // … // Ich auch nicht.« Ihre Stimme war unerträglich hell, so hell, dass er es unerträglich fand, sie durchs Telefon zu hören, zu wissen, dass sie ihren Ursprung woanders hatte als an seinem Ohr. Er schloss die Augen und nahm alle Geräusche auf, die sie machte, hatte völlig vergessen, dass er sie hatte anrufen wollen. »Ich wollte nur wissen, wie es dir geht, mein Liebster. // Aber Harpa – du bist

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