Bannkrieger
glättete.
Auf einmal entdeckte er etwas im Gefieder des Vogels. Vorsichtig entfaltete er die rechte Schwinge und begann, an den Federkielen herumzupulen. Dem eben noch handzahmen Falken missfiel diese Behandlung. Erbost drehte er den Kopf und hackte mit seinem scharfen Schnabel in einen der Finger, die ihn hielten. Dagomar verzog keine Miene, obwohl Blut aus der getroffenen Stelle quoll.
»Ganz ruhig, kleiner Freund.« Das war alles, was er dazu sagte. Eine Konkubine, die es gewagt hätte, ihn zu beißen, hätte hingegen den Kopf verloren. Dann umspielte ein triumphierendes Lächeln die königlichen Lippen, während er eine pechschwarze Krume betrachtete, die er fest zwischen Daumen- und Zeigefinger hielt.
Froh, von diesem lästigen Parasiten befreit zu sein, schlug der Greifvogel mit den Flügeln. Er flatterte kurz auf und setzte sich auf Dagomars Arm, ohne dass seine spitzen Krallen die winzigste Verletzung hervorriefen.
Zufrieden löste der König einen kleinen holzgeschnitzten Zylinder aus der Lederhalterung am rechten Vogelbein, bevor er das Tier an einen bereitstehenden Falkner übergab. Der nahm es auf seine behandschuhte Rechte und eilte mit ihm davon.
Dagomars Zeigefinger blutete noch immer, trotzdem scheuchte er einen Medicus, der ihm die Wunde verbinden wollte, mit einer ärgerlichen Handbewegung davon. Nachdem er die Nachrichtenkapsel neben sich gelegt hatte, galt sein ganzes Interesse der schwarzen Krume zwischen seinen Fingernägeln. Vorsichtig und mit einem Feingefühl, das ihm viele nicht zugetraut hätten, zog er das dunkle Etwas auseinander. Dabei wurde ganz kurz ein grotesk aussehendes vierflügliges Insekt sichtbar, das im nächsten Augenblick zu Staub zerplatzte.
»Ungezieferschwärme!«, grollte Dagomar. »Überall in meinem Reich fällt dieses Geschmeiß über die Saat her und vernichtet unsere verbliebenen Vorräte.« Abrupt sah er zu Mea auf. »Jetzt erdreisten sich diese Plagegeister auch noch, meine Falken anzugreifen!«, klagte er vorwurfsvoll. »Wie ist es möglich, dass dein Schutzbann so jämmerlich versagt? Kannst du mir das erklären? «
Mea spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihre Wangen wurden so kalt, als würden sie vereisen. »Das weiß ich nicht!«, würgte sie hervor und verfluchte dabei innerlich das Zittern in ihrer Stimme. »Ich habe alle Rituale genauso gewissenhaft ausgeführt wie immer.«
»Erlaubt mir bitte, das fremde Geschmeiß näher zu betrachten, mein König«, mischte sich Großmeister Ruppel ein, bevor noch weitere Vorwürfe auf sie einprasseln konnten. »Vielleicht vermag ich eine Erklärung für diese bedrohlichen Begebenheiten zu finden.«
Der Monarch sah Mea noch einmal mit durchdringender Feindseligkeit an, bevor er dem Großmeister gestattete, näher zu treten.
Ruppel langte nach seinem Amulett, das er an einer wuchtigen Goldkette vor der Brust trug. Die runde, aus ineinander verflochtenen Bogen bestehende Goldeinfassung in der Rechten, trat er an den Greifenthron und bat den König, ein paar noch an seinen Fingerkuppen anhaftende Brocken auf den Jadestein zu streuen.
Dagomar rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, um den Wunsch zu erfüllen. Alle im Saal sahen, wie die schwarzen Körner aufglühten, sobald sie die Oberfläche der Schattenjade berührten.
Ruppel legte die gewölbte Rechte auf das Amulett, schloss die Augen und bewegte die Lippen, um einen tonlosen Bannspruch zu murmeln.
Für Dagomars Geschmack ging er dabei ein wenig zu theatralisch zu Werke. »Ich hoffe, das zieht sich jetzt nicht bis zum Abend hin«, bemerkte er gallig. »Mein Magen fängt allmählich an zu knurren.«
Der Großmeister hob die Augenlider gerade so weit an, dass er unter den langen Wimpern hindurchsehen konnte. »Verzeiht, wenn ich euch ein wenig auf die Folter spanne, mein König«, heischte er übertrieben freundlich Nachsicht, »aber ein guter Bann erfordert seine Zeit. Mit einem schlechten ist euch nicht gedient, oder?«
Dagomar winkte gelangweilt mit der blutverschmierten Rechten, um dem Priester zu signalisieren, dass er fortfahren möge. Anschließend lehnte er sich betont gelangweilt gegen die über ihm aufragenden Goldschwingen und hielt seine Verletzung in die Höhe.
Der anwesende Medicus wusste sofort, dass die klagende Geste ihm galt. Eilig lief er mit einer Wasserschüssel herbei, um dem Herrscher die Hand zu reinigen und einen schmalen, aber straff sitzenden Verband anzulegen.
Dagomar wartete eine Weile, bis er sicher sein
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