Bannkrieger
Bornus leise, sobald Hormuk außer Hörweite war. »Was glaubt er eigentlich, wer er ist?«
»Zerbes neue rechte Hand und der oberste Anführer unseres Haufens«, antwortete Alvin. »Das muss man ihm lassen: Er hat genau im richtigen Moment Mut bewiesen.«
»Nur weil sein Machthunger größer ist als die Angst vor dem Feuersänger«, spielte Bornus die Tat des ungeliebten Waffenbruders herunter. »Der soll bloß aufpassen, dass er nicht in eine Handbreit Stahl hineinläuft, der Speichellecker.«
»Denk an unseren Schwur«, mahnte Alwin.
Bornus musterte ihn mit einem abweisenden Blick. Nur mühsam unterdrückte Wut ließ seinen hageren Körper beben, als er antwortete: »Auf diesen Schwur ist geschissen! Der gilt nur für das, was vor Okdor war. Aber den toten Barden, den hat Hormuk heute mit Füßen getreten.«
Greifenstein
Höchste Reinheit war eine der Grundlagen, die der Jadeträgerin die Ausübung ihrer Magie ermöglichten, deshalb stand Mea auch das feudalste aller Bäder zur Verfügung. Nur mit einem bunt bestickten Seidenmantel bekleidet, betrat sie den in hellen Sand- und Ockertönen gefliesten Raum, in dem ein großes Marmorbecken im Boden eingelassen war. Feine Dampfschleier entstiegen dem magisch aufgeheizten Wasser. Das rechteckige Becken, in dem bequem ein Dutzend Frauen Platz gefunden hätte, war einzig und allein ihr vorbehalten. Ein vergoldetes Geländer teilte den mit Stufen versehenen Rand in zwei Hälften, damit sie auf der einen Seite hinein- und geläutert auf der anderen herauskommen konnte.
Yako stand schon bereit, ihr den Mantel abzunehmen.
»Was veranlasst Dagomar, schon vor der Mittagszeit zu regieren? «, fragte Mea, während sie in das mit Duftstoffen und Badeölen versetzte Nass stieg und sich langsam niederließ. Nachdem sie kurz untergetaucht war, richtete sie ihren Blick fragend auf Yako, die unentschlossen an ihrem Seidenmantel herumzupfte, anstatt frische Kleider bereitzulegen.
»Nun erzähl schon«, drängte Mea, die es hasste, wenn sich die Phaa jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen ließ. »Du hast doch sicherlich etwas aufgeschnappt.«
»Was soll schon der Grund sein?«, brummte Yako ungewohnt mürrisch. »Die königlichen Falken überbringen schlechte Nachrichten aus allen Teilen des Landes. In Thyrm und Nekal herrscht Aufruhr, und die Iskander dringen mit einem großen Heer in Baros ein.«
Trotz der bösen Kunde entfalteten die belebenden Öle ihre anregende Wirkung. Mea schloss die Augen und ließ sich nach hinten sinken. Den vorgeschriebenen Ritualen folgend, kreisten ihre Hände über ihre samtweiche Haut, um sie von dem Schweiß und den Gerüchen der Nacht zu reinigen.
»Außerdem verheeren Ungezieferschwärme das Land, gegen die deine Bannkreise machtlos sind!«
Das angenehme Kribbeln auf der Haut verflog mit einem Mal, Mea riss die Augen auf. »Was erzählst du da?«, rief sie bestürzt. »Wie ist das nur möglich?«
»Das weiß niemand so genau.« Yako zuckte mit den Schultern. »Darum sind die Mitglieder des Kronrats auch so aufgeregt. «
Mit Meas Ruhe war es ebenfalls vorbei. Ohne darauf zu achten, ob sie wirklich jede Stelle ihres Körper sieben Mal berührte, schrubbte sie sich so schnell wie möglich ab und brachte eilig ihr Haar in Ordnung.
Yako trocknete sie mit weichen Tüchern ab, als sie dem Bad entstieg.
Obwohl immer noch ein paar Tropfen auf ihrer Haut schimmerten, schlüpfte Mea in die bereitliegenden Unterkleider und in ein wertvolles Zeremoniengewand aus weinrotem Brokat. Zuletzt steckte sie sich einen silbernen Stirnreif ins Haar, dessen matt schimmernden Jadesteine nur der Zierde dienten. Ihr gesamtes Geschmeide befand sich in der Obhut der Jademeister.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie mit ihrer Leibwächterin zum Thronsaal eilte.
Der Kronrat bestand zur einen Hälfte aus Jademeistern und zur anderen aus barosischen Adeligen. Mea schlug eine Mauer des Schweigens entgegen, als sie durch einen Nebengang in den Thronsaal schlüpfte. Sie sah, dass der König statt des Greifenzepters einen echten Falken in Händen hielt.
Dagomars Liebe zu seinem Wappentier war bekanntermaßen größer als zu den Menschen. Selbst sein Weib und seine zahlreichen Konkubinen mussten hinten anstehen, wenn es einem seiner Lieblinge schlecht ging. Nicht nur sämtliche Diener hielten den Atem an, auch Adel und Priesterschaft gaben keinen Laut von sich, während der König dem zerzausten Falken mit zärtlichen Handstrichen das Gefieder
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