Bannkrieger
sondern sprach auch längst in seinem Zungenschlag. Doch er schien sich bestens an Hormuk zu erinnern, denn er war eifrig darum bemüht, stets zwei Schritte Abstand zwischen sich und den ihn umkreisenden Hauptmann zu halten.
»Dort entlang!« Hastig deutete er mit der Linken auf eine Zwischentür, während die Rechte an einem großen Schlüsselbund nestelte, den er am Gürtel trug. »Wartet, ich muss erst aufsperren. « Mit lautem Klacken entriegelte er das schmiedeeiserne Schloss.
Hinter der Tür ging es nicht auf gleicher Höhe weiter, sondern eine sanft abfallende Rampe hinab, über die sich auch schwerste Fässer mühelos rollen ließen. Auf diese Weise wurde in den frühen Morgenstunden angelieferter Fisch eingelagert, ohne die schlafende Garnison zu wecken. Aus der Dunkelheit wehte ihnen ein kühler Luftzug entgegen.
»Wird dich keiner auf deinem Posten vermissen?«, fragte Alvin, der es durchaus für möglich hielt, dass die Furcht vor Hormuk den Gardisten zur einen oder anderen Unvorsichtigkeit treiben könnte.
Der Dicke schüttelte den Kopf. »Von den Wehrgängen aus kann mich niemand im Turm sehen.«
Sie entzündeten ihre mitgeführten Fackeln, die ihnen offenbarten, dass es beinahe zwei Mannslängen weit hinabging, in Kellerräume, die wesentlich älter als die Kaserne waren. Links und rechts des Korridors zweigten vergitterte Zellen ab, in denen sich vor allem Vorräte stapelten. Hormuk zog ein zusammengefaltetes Pergament hervor, das hinter seinem Gürtel gesteckt hatte. Zerbe hatte darauf ebendiesen Gang und noch einige andere Kleinigkeiten aufgezeichnet.
»Hier vorn!« Er deutete auf das fünfte Gitter auf der rechten Seite. »Aufschließen!«
Der ängstliche Gardist kam der Aufforderung umgehend nach, aber auch das stimmte den Hauptmann nicht freundlicher. »Verschwinde jetzt!«, raunzte er herrisch. »Bevor doch noch jemandem auffällt, dass dein Posten verwaist ist!«
Der Angesprochene zögerte einen Moment. Unverhohlene Neugier mischte sich in seine sorgenvollen Züge. Sicher hätte er gern gewusst, was es mit diesem Vorstoß in die Vorratskeller auf sich hatte, doch er wagte nicht, irgendwelche Fragen zu stellen.
Während der Verräter davoneilte, leuchteten Alvin, Bornus und die anderen in die offene Zelle. Außer leeren Kisten und ähnlichem Gerümpel wurde darin nicht viel aufbewahrt, vermutlich aus gutem Grund.
Selbstsicher schritt Hormuk auf die rückwärtige Wand zu und räumte ein dort stehendes Regal zur Seite. Dahinter kamen große, von Feuchtigkeit geschwärzte Quader zum Vorschein. Er tastete eine Weile über sie hinweg, bevor er jene drei fand, die sich – in einer ganz bestimmten Reihenfolge gedrückt – ein Stück weit in den Fugen zurückschieben ließen.
Laut Zerbe war der verborgene Mechanismus nur wenigen Greifensteinern bekannt und schon seit Generationen nicht mehr benutzt worden. Ob er noch funktionierte, war fraglich. Anfangs ertönte auch nur rostiges Knirschen.
Alvin sah sich schon mit Spitzhacke und Brechstange hantieren, als es in den Wänden zu rumoren begann. Es war ein dumpfes, von allen Seiten widerhallendes Geräusch, das direkt aus den Tiefen der Vergangenheit aufzusteigen schien.
Der Bleichhäutige spürte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten, doch er versuchte, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, auch nicht, als der Boden unter seinen Füßen ins Wanken geriet. Ein Erdbeben! , durchfuhr es ihn. Seltsamerweise war Alvin der Einzige, der davon betroffen war. Er verdankte es nur seinen guten Reflexen, dass er nicht lang hinschlug, als er ruckartig in die Höhe geschleudert wurde.
Fluchend stolperte er durch den Raum, blieb aber auf den Füßen.
Erst als er den Kopf wandte, wurde ihm klar, dass er auf einer nach oben geschnellten Granitplatte gestanden hatte, die plötzlich senkrecht in die Höhe ragte. Dort, wo sie sich gerade noch fugenlos eingefügt hatte, klaffte ein nach unten abfallender Schacht im Boden. Ein paar der umstehenden Männer kicherten nervös, aber für ausgelassene Heiterkeit war die Anspannung zu groß.
Im Schein der vorgestreckten Fackeln schälten sich verrostete Steigeisen aus dem Dunkel. Um die eben erlittene Schmach auszugleichen, schwang sich Alvin als Erster in den gähnenden Schlund und kletterte hinab. Kälte strich unangenehm um seine Stiefel und kroch unter dem Kapuzenmantel bis zum Rücken empor. Tiefschwarze Finsternis umschloss ihn wie eine zweite Haut. Die Fackel, die er in der Rechten hielt,
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