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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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begann zu flattern. Fast schien es, als drohte die von allen Seiten näher rückende Schwärze die Flamme zu ersticken.
    Alvins Herz hämmerte ihm unangenehm heftig in der Brust, doch wieder nach oben zu steigen hätte ihm Hohn und Spott eingebracht. Die auf ihn herabblickenden Gesichter waren schon auf Faustgröße zusammengeschrumpft, als er endlich festen Boden unter den Sohlen spürte. Erleichtert drehte er sich im Kreis und hielt die Fackel weit von sich, trotzdem konnte er nur drei Königsschritte weit sehen.
    Selbst als das restliche Dutzend neben ihm stand, türmte sich die Finsternis wie eine massive Wand vor ihnen auf. Vorsichtig fächerten die Krieger auseinander und tasteten sich durch das vor ihnen liegende Nichts. Sobald sie ihre Fackeln herabsenkten, sahen sie einen von einer dicken Staubschicht bedeckten Marmorboden, doch das wahre Ausmaß der Umgebung blieb im Dunkeln verborgen. Decke und Wände lagen viel zu weit entfernt, als dass sie der Fackelschein erreichte.
    Unangenehmer Modergeruch hüllte die Krieger ein, die Luft schmeckte bitter. Seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten hatte sich niemand mehr hier herabgewagt. Der durch ihre Schritte aufwirbelnde Staub kratzte in den Lungen, trotzdem tasteten sie sich gemeinsam vorwärts. Alle unter ihnen gärenden Rivalitäten waren für den Moment vergessen. Die Nähe der übrigen Bewaffneten vermittelte jedem von ihnen ein beruhigendes Gefühl, trotzdem waren sie alle froh, als sie die gegenüberliegende Wand erreichten. Sie bestand aus hart glänzendem Marmor und wirkte wie aus einem einzigen Stück.
    »Wir müssen uns weit unterhalb des Antreteplatzes befinden! «, äußerte Bornus.
    »Und wenn schon!«, schnaufte Hormuk. »Such lieber nach dem Portal!« Andere anzumaulen war seine Art, mit dem Gefühl der körperlichen Bedrohung fertig zu werden, das jeder von ihnen deutlich verspürte.
    Den weißen Marmor bedeckten zahlreiche Fresken, die einer ungezügelten Zerstörungswut zum Opfer gefallen waren. Bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt und zerschlagen, war kaum noch etwas von den abgebildeten Gestalten zu erkennen, nur dass sie unnatürlich groß gewesen waren. Soweit neben den leeren Umrissen noch etwas zu erkennen war, zeigten die Szenen verstörende Rituale, die weit über das hinausgingen, was selbst Iskander an Opferzeremonien gewohnt waren.
    Zerbe hatte nicht gelogen. Greifenstein ruhte tatsächlich auf den Ruinen einer weitaus älteren Stadt, die dem Gedächtnis des Volkes schon vor langer Zeit verloren gegangen war. Nur die herrschende Kaste hatte noch von diesen ALTEN gewusst und die Kaserne absichtlich auf den versunkenen Katakomben errichtet, damit sie niemand versehentlich freilegte, wenn man einen neuen Keller oder Brunnen graben wollte.
    »Hier ist es!« Zu Hormuks Ärger war es Bornus, der den Rundbogen einer steinernen Pforte entdeckte. Als sich die Iskander davor versammelten, wurde auch der Schutzstein sichtbar, der den Durchgang versiegelte. Sofern das wirklich ein Durchgang und keine Sackgasse war.
    Der hohe Torbogen zeichnete sich zwar als daumenbreiter Vorsprung ab, war aber lediglich ein Umriss, der das Portal andeutete. Nur der Schutzstein wies darauf hin, dass sie an der richtigen Stelle standen.
    Ohne dass es jemand befehlen musste, langten alle zu den Lederbändern, die sie um die Hälse trugen, und zogen die kleinen Amulette hervor, die Aar während der Zeremonie in Okdor an sie verteilt hatte. Sie zeigten das golden schimmernde Antlitz einer albtraumhaften Mischgestalt, in der sich die Züge eines Menschen mit denen eines Greifvogels paarten. Das gleiche kantige Gesicht mit den vorspringenden Zügen und der federartigen Haube zierte auch den quaderartigen Vorsprung über dem Rundbogen.
    Jeder von ihnen führte das eigene Amulett an die trockenen Lippen, bevor sie den Gesang anstimmten, den Zerbe ihnen beigebracht hatte. Hormuk machte den Anfang, und alle anderen fielen mit ein. Es waren schrille, die Ohren peinigende Töne, die sie hervorbrachten, doch obwohl sich seine Stimmbänder anfühlten, als würden sie bei jedem Ton bis ins Unerträgliche verdreht, sang Alvin mit der gleichen Inbrunst wie die anderen.
    Schon bald war die leere Halle von den Echos ihres Gesangs erfüllt. Aber da erklang noch mehr. Ein entferntes Brausen, das aus unendlichen Tiefen zu dringen schien, irgendwie tierisch, aber den menschlichen Stimmen auf unheimliche Weise ähnlich. Ein schauriger Singsang, der ihre Intonation anfangs nur

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