Bannkrieger
ausdehnten.
Zerbe brauchte nur noch zwei Schritte weiter zurückzutreten, um mit dem Nebel zu verschmelzen.
Mea rammte ihre Stiefelabsätze tief in den weichen Waldboden, um sich gegen das Unvermeidliche zu stemmen, doch die Kraft des Lederhäuters war der ihren weit überlegen. Fußbreit um Fußbreit rückte sie auf den alles verschlingenden Nebel zu. Nur noch zwei Herzschläge, dann wäre es zu spät.
Rorn wusste nur einen Ausweg, um das Schlimmste zu verhindern.
Mit einem lauten Aufschrei hechtete er auf das ungleiche Paar zu, schlang seinen freien Arm um die Jadeträgerin und riss sie mit seinem ganzen Gewicht rückwärts zu Boden. Zerbe, der einfach nicht loslassen wollte, stürzte den beiden hinterdrein.
Alle drei landeten neben dem nur noch schwach zuckenden Pferd, das sich seinem Schicksal längst ergeben hatte. Mea stöhnte vor Schmerz auf, als sie mit dem Hinterkopf ins Laub schlug. So ruppig sprang sonst keiner mit ihr um, doch was blieb Rorn anderes übrig. So war sie dem Zugriff des magischen Nebels wenigstens entzogen.
»Ketzer!«, knurrte Zerbe erbost und richtete sich auf.
Furchtlos starrte Rorn in die ledernen Augenschlitze, hinter denen nichts Menschliches hervorschimmerte, sondern nur abgrundtiefe Finsternis zu sehen war. Gleichzeitig schwang er das Schwert in die Höhe und ließ seine Breitseite gegen die Ledermaske krachen.
Zerbes Kopf schlug hart in den Nacken, doch er nahm diese Attacke genauso klaglos hin wie die vergangenen Stiche in Hals und Unterarm. Er ging auch nicht zum Gegenangriff über, sondern taumelte einfach in die Höhe und versuchte zu fliehen. Warum auch nicht? Er hatte, was er wollte! Seine Rechte umkrampfte die goldene Halskette, an der das magische Geschmeide baumelte.
Mea keuchte vor Entsetzen. Die Jadeträgerin hatte ihren Griff im Augenblick des harten Aufpralls instinktiv gelockert, und dieser kurze Augenblick hatte dem Lederhäuter gereicht, um das Amulett an sich zu bringen.
Lachend ließ er den schwarzen Stein in seiner Faust verschwinden – aber das hätte er besser nicht getan!
Die Macht der Schattenjade war stärker, als er gedacht hatte. Der unmittelbare Kontakt mit ihr versetzte ihm einen sichtbaren Schlag, der sich von seiner Hand durch den Arm bis hinauf in die Schulter fortpflanzte. Von einem brutalen Schüttelanfall gepeinigt, stand er einige Herzschläge lang wie angewurzelt da. Nur sein Arm zuckte weiter.
Rorn fühlte sich wie in Eiswasser getaucht. Gleichzeitig reagierte er, rein instinktiv, ohne darüber nachzudenken.
Blitzschnell zischte sein Schwert durch die Luft. Die scharfe Klinge beschrieb einen flirrenden Halbbogen, der sauber durch das Handgelenk des Lederhäuters schnitt.
Zum ersten Mal schien es, als würde Blut aus der Wunde hervorschießen, doch es waren nur ein Dutzend dicker schwarzer Tropfen, die aus dem Armstumpf hervorquollen, ohne in die Tiefe zu fallen. Einige Herzschläge lang glitten die Tropfen umeinander herum, in einem die Sinne verwirrenden Gewimmel, das die Augen schmerzen ließ, dann schloss sich der Stumpf zu einer glatten schwarzen Wölbung, die wie Schattenjade schimmerte. Aus dem abgetrennten Handschuh stieg dagegen eine Rauchfahne auf, die den Gestank von verbranntem Fleisch verbreitete.
Der Lederhäuter stieß unheimliche Schmerzenslaute aus, die unmöglich aus einer menschlichen Kehle stammen konnten. Rorn wartete nicht, bis sein Gegner die verbliebene Hand erhob und auf ihn zustürzte, sondern trat ihm einfach mit voller Wucht vor den Brustkorb. Das Kettenhemd knirschte laut, als sich der Absatz in die Eisenglieder grub.
Die durchschlagende Wirkung des Tritts überraschte selbst Rorn, obwohl er um die Kraft seiner Beine wusste. Anstatt getroffen zurückzutaumeln, hüpfte der Lederhäuter eine Handbreit in die Höhe und schoss regelrecht rückwärts, als wöge er kaum mehr als eine mit Sägemehl und Stroh ausgestopfte Vogelscheuche. Mit dem Rücken voran flog er dem wabernden Nebel entgegen, der ihn gierig umschlang, in sich aufnahm und nicht wieder freigab.
Eben noch wirbelten die Schwaden am Eintrittspunkt wild umher, da verschwanden Zerbes Konturen auch schon im wattierten Grau. Gleich darauf wehte der Ausläufer zurück zu seinem Ursprung. Und nicht nur das. Die gesamte Nebelbank, die über dem Gestrüpp schwebte, begann plötzlich zu schrumpfen, bis sie von einem unversehens einsetzenden Windstoß verweht wurde.
Das alles geschah so rasend schnell, dass Rorns Augen dem Vorgang kaum folgen konnten.
Weitere Kostenlose Bücher