Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
reißen wollte. Ihr Volk neigte von Natur aus zu Bitterkeit und Melancholie, und ein Mensch, der sich diesen Gefühlen zu lange hingab, konnte schnell darin versinken. Darum befolgten sie seine Anordnungen, auch wenn es ihnen schwerfiel.
    Alvin stieg ebenfalls ab. Anstatt sich seinem Ross zu widmen, es abzusatteln und abzureiben und ihm all die Kletten und Dornen zu entfernen, die es sich bei der Hatz durchs Unterholz eingefangen hatte, wandte er sich jedoch Zerbe zu.
    Der Streiter in der Lederhaut, den ihre stärksten Schamanen in langen Nächten beschworen hatten, saß im Schatten einiger Tannen am Boden und schien geistesabwesend ins Leere zu starren. Erst beim Näherkommen bemerkte Alvin, dass der Eindruck trog.
    In Wirklichkeit versorgte Zerbe seine Wunden, wenn auch auf eine merkwürdige Art und Weise. Er legte nicht etwa selbst Hand an, nein, an seinem Hals krabbelten mehrere Laubweber entlang, langbeinige Spinnen, die keine Netze spannten, sondern fragile Baumnester schufen. Laubweber hatten eine wahre Meisterschaft darin entwickelt, Blätter zu wölben und zu großen Kugeln zu vernähen, doch der kräftige Stachel an ihrem langen, biegsamen Hinterleib vermochte sich auch tief in die Haut eines Feindes zu bohren und konnte sogar festes Leder durchstechen, wie die vier Exemplare bewiesen, die gerade die Risse vernähten, die der Pfeil des jungen Dörflers an Zerbes Hals hinterlassen hatte.
    Von dem langen Schnitt im Unterarm, den er der Phaa verdankte, war ebenfalls nichts mehr zu sehen. Bei den vielen groben Nähten, die den Flickenteppich zusammenhielten, aus dem sein ledernes Gewand bestand, fielen die zusätzlichen Stiche nicht weiter auf. Bloß der fehlende Handschuh stach ins Auge, aber auch dort wurde bereits Ersatz geschaffen.
    Neben dem rechten Knie des Abgesandten wimmelte es nur so von Raupen, Käfern und Schaben. Ungeziefer aller Art trug kleinere und größere Fellreste verendeter Tiere zusammen, die an Ort und Stelle von emsigen Insektenmäulern gegerbt und anschließend von fleißigen Laubwebern zusammengenäht wurden.
    Alvin machte bereits eine lederne Daumenkuppe und mehrere Fingerhüllen im Gras aus. Wenn das Ungeziefer auch noch ein paar Felle herbeischaffte, die von etwas Größerem als toten Nagetieren stammten, entstand bis zum Abend sicher ein kompletter Handschuh.
    Die beinahe militärische Disziplin, mit der sich das umliegende Geschmeiß in den Dienst des Ledernen stellte, hatte schon etwas Beängstigendes. Zu was mochte einer wie Zerbe wohl imstande sein, wenn er erst das Geschmeide der Jadeträgerin besaß?
    »Du hättest den jungen Bogenschützen nicht entkommen lassen dürfen«, riss ihn der dunkle Recke mit einem sanften Vorwurf aus den Gedanken.
    »Er war noch ein Knabe!«, verteidigte sich Alvin.
    »Das war er nicht.«
    Alvin wusste, dass der Lederne recht hatte.
    In Wirklichkeit war Alvin nur alt geworden, sodass ihm junge Männer inzwischen generell wie Knaben vorkamen. Trotzdem wollte er sich die Schuld am Scheitern des Überfalls nicht allein zuschieben lassen. »Mag sein, dass uns der Bursche unnötig Schwierigkeiten bereitet hat, aber das ist nicht der Grund, warum uns die Jadeträgerin entwischt ist, das weißt du genau!«
    Alvin überlegte, ob er auch von dem grauhaarigen Weib erzählen sollte, das er gesehen zu haben glaubte, unterließ es aber lieber, damit es nicht so wirkte, als würde er verzweifelt nach Ausreden suchen.
    »Du hast recht«, stimmte Zerbe überraschend zu. »Ohne diesen vermaledeiten Nebel hätten wir den Feind am Ende niedergerungen. Aus irgendeinem Grund hat sich eine Macht eingemischt, die der meinen ebenbürtig ist. Eine alte Kraft, die eigentlich über und zwischen den Dingen schwebt. Es ist mir ein Rätsel, warum sie sich auf die Seite der Jademeister geschlagen hat.«
    Das war nicht unbedingt das, was man von einem Recken hören wollte, den viele Fürstentümer für eine Manifestation des Weltenwandlers hielten.
    Alvin sagte zwar kein Wort, aber Zerbe wusste seinen Blick auch so zu deuten. »Euer Feind herrscht schon über viele Generationen hinweg«, führte er aus. »Seine Macht ist gewaltig und selbst für mich nur schwer zu brechen. Dieser Kampf ist nicht leicht zu gewinnen, doch auf Dauer werden wir siegen, denn Baros wirkt schon viel zu lange seine dunkle Magie.«
    Alvin nickte mutlos. »Wir machen also weiter?«
    »Aber natürlich!« Unter der Ledermaske ertönte ein lautes Rasseln, das wohl ein Lachen sein sollte. »Zugegeben, wir

Weitere Kostenlose Bücher