Bannkrieger
bereits zu dämmern, als sich Rorn mit Neele an einem der verschwiegenen Plätze traf, die sie schon seit ihrer Kindheit kannten. Seine Gefährtin wartete in dem freien Rund innerhalb eines Weidengehölzes, auf weichem Moos, unter einem dichten Blätterdach, das selbst starkem Regen trotzte. Obwohl er seine Gefühle zu verbergen suchte, spürte sie sofort, dass Rorn etwas auf den Lippen lag.
»Was ist los?«, fragte sie. »Du grinst so vergnügt, als hättest du einen wilden Honigstock entdeckt.«
»Viel besser«, antwortete er und hob die Hand mit dem Ring in die Höhe.
Im gleichen Moment, da er die Schattenjade vom Finger zog, überkamen ihn leise Zweifel, ob er gerade das Richtige tat, doch für eine Umkehr war es zu spät. Schon ein kurzer Blick in Neeles leuchtendes Gesicht genügte, um zu beweisen, dass er nicht mehr zurückkonnte.
»Wo hast du das her?«, wollte sie wissen.
»Bei der Phaa gegen ein Schwert eingetauscht«, log Rorn, weil er wusste, dass die Wahrheit sie bloß erschreckt hätte.
»Den Einhänder, an dem du so lange gearbeitet hast?«, hauchte sie atemlos.
Neele hatte das blaue Bündel gesehen, mit dem er auf den Dorfplatz gelaufen war, und sicher auch, dass er es nicht an die Phaa hatte übergeben können. Trotzdem stellte sie keine Fragen, sondern hielt den Blick auf den schwarzen Stein gerichtet, den sie versonnen von allen Seiten betrachtete. Bei den Moorbauern war ein Geschenk von solchem Wert weitaus mehr als nur ein freundschaftliches Bekenntnis. Es symbolisierte den klaren Willen, ihre Liebe offen nach außen zu tragen. Und zwar weitaus besser, als es der prächtigste Fächer aus Pfauenfedern vermocht hätte.
»Wirklich wunderschön.« Beinahe ehrfürchtig glitten Neeles Finger über den gewölbten Stein, der matt glänzend in der goldenen Fassung ruhte. »Er sieht fast so aus wie der Ring der Jadeträgerin. «
»In Greifenstein schmücken sich die Damen gern mit solchen Duplikaten«, erklärte er hastig, bevor Neele auf dumme Gedanken kam.
»Geschmeide aus Greifenstein.« Sie lächelte verzückt. »Die Frauen im Dorf werden neidisch, wenn sie das sehen.« Der Gedanke ließ ihre Augen strahlen.
Als sie den Ring überstreifte, passte er wie angegossen, fast so, als hätte er nie an einem anderen Finger gesessen, und obwohl die Lichtverhältnisse unverändert waren, schimmerte die Schattenjade an ihrer Hand noch heller als zuvor.
Eine Weile sah es so aus, als könnte sich Neele an dem Schmuckstück gar nicht sattsehen, aber dann ließ sie die ausgestreckte Linke sinken und wandte sich Rorn zu. Statt etwas zu sagen, schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn dicht zu sich heran. Ihre weichen, halb geöffneten Lippen fanden die seinen und sprachen ihren Dank auf eine Weise aus, wie es Worte nicht vermögen.
Der Anflug von Zweifeln, der Rorn kurz zuvor gepeinigt hatte, wurde von dem leidenschaftlichen Ansturm fortgewischt. Ehe er sich’s versah, presste Neele ihren Körper gegen den seinen. Der sanfte Druck ihrer Brüste versetzte sein Blut ebenso in Wallung wie die Zungenspitze, die sich fordernd in seinen Mund schob.
Er fuhr ihr mit der Rechten durch das lange Haar, während seine Linke an ihrem Rücken hinabwanderte. Er wusste, wie sehr sie das sanfte Kreisen der Fingerkuppen erschaudern ließ, trotzdem genoss er es wie beim ersten Mal, als sie unter seinen zarten Liebkosungen versteifte.
Beide kannten längst jeden Fingerbreit des anderen, trotzdem erregte es sie weiterhin, einander zu streicheln und zu erkunden.
Während sie sich gegenseitig aus den Kleidern schälten, versank die Sonne im Abendrot. Obwohl mit der Dunkelheit die Kälte kam, froren sie nicht. Im Gegenteil. Ihre erhitzten Körper glühten förmlich, während um sie herum die Zeit verging.
Sich nackt auf den ausgebreiteten Kleidern wälzend, umschlangen und liebten sie einander, wie es nur wahrhaft Liebende vermögen. Laut und ungehemmt, die Feuchtigkeit des anderen wie Nektar kostend, bis zur gegenseitigen Erschöpfung.
Als er mit der Daumenkuppe über ihre linke Brustwarze strich, lächelte Neele zufrieden. Er sah es an ihren entblößten Zähnen, die im einsickernden Mondschein aufblitzten.
»Mutter fragt schon lange, wann wir uns vor den Göttern bekennen wollen«, sagte sie in die Stille hinein.
In den Worten schwang kein Vorwurf mit. Sie sprach nur aus, was schon lange unsichtbar zwischen ihnen schwebte. Beide sehnten sich danach, vor den heiligen Amboss zu treten, um ihre Seelen für
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