Bannsänger
hätten sie mich tatsächlich gefangen und getötet, wäre ich etwas bestürzter gewesen.«
Jon-Tom mußte unwillkürlich grinsen.
»Und was ich von dieser Reise erwarte? Nun, dieser trefflichen und würdigen Sache dienlich sein zu dürfen, ist Grund und daher Befriedigung genug. Du warst zu lange in Gesellschaft des liebenswürdigen, aber amoralischer Schlags eines Mudge und einer Talea. Ich glaube vorbehaltlos alles, was unser gegenwärtig in Trance befindlicher Hexenmeister sagt.
Ich habe ihn in den vergangenen Tagen eingehend studiert. Jeder Idiot kann klar erkennen, daß alle Nöte unn Sorgen dieser Welt schwer auf seiner Seele lasten. Ich bin kein Held, Jon- Tom, aber ich bin auch kein Narr, nicht zu erkennen, daß die Zerstörung der gegenwärtigen Welt auch das Ende meiner angenehmen Lebensweise bedeutet. Und sie gefällt mir so wirklich ziemlich gut.
Du siehst also, daß es in meinem eigenen Interesse ist, mit euch zu gehen und euch zu helfen, wie es das für jeder Warmlander wäre, der mit seinem Dasein zufrieden ist. Ich werde Clodsahamp auf jede mir mögliche Weise helfen. Ich bin kein guter Soldat, aber ich verfüge über einige Fertigkeiten in der Verwendung von Worten. Selbst ihm ist klar, glaube ich, daß er die Neigung hat, Narren gegenüber ungeduldig zu sein. Ich andererseits bin ziemlich geübt darin, mit ihnen zurecht zukommen.«
»Diese Gruppe könnte bestimmt einen Diplomaten gebrauchen«, stimmte ihm Jon-Tom zu. »Ich habe nach bester Kräften versucht zu vermitteln, aber... ich habe wohl nicht genug Erfahrung dafür.«
»Setz nicht das herab, worüber du keine Kontrolle hast, nämlich deine Jugend, mein Freund! Du scheinst mir sehr gereift für deine Jahre. Das ist mehr, als man erwarten kann, wenn ich bedenke, daß du nicht freiwillig hier bist. Mir scheint, daß es dir mehr um Fähigkeiten als um Ziele geht.
Obwohl ich über mehr Erfahrung verfüge als du, bin ich stets bereit, anderen zu zuhören und zu lernen. Ich könnte nie tun, was du mit dem Drachen getan hast. Es gibt Erfahrungen, und es gibt andere Erfahrungen. Du kümmerst dich um den, aus dessen Mund Feuer kommt, und ich kümmere mich um die, bei denen es Beleidigungen und Drohungen sind. Wir werden einander ergänzen. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Mensch und Hase schüttelten einander warm die Hand. Die Empfindung überraschte Jon-Tom nicht mehr. Es war, als gäbe er jemandem die Hand, der Fäustlinge trug.
Im Lager wurde es ruhig, und der Nachtregen setzte zögernd und verspätet ein.
»Siehst du?« Caz deutete auf die regungslose Gestalt Clodsahamps, der immer noch auf seinem Baumstamm saß. Er schien sich nicht bewegt zu haben, seit Jon-Tom das Lager auf der Suche nach Mudge verlassen hatte. Jetzt saß er da mit glasigem Blick und bemerkte den Regen nicht.
»Unser Freund brütet über bedeutenderen Angelegenheiten. Und doch liegt der größere Schaden oft in der mangelnden Aufmerksamkeit für das Geringe.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, daß wir keine Wachen aufgestellt haben. Dies Land ist für uns alle fremd.«
»Ich glaube, daß wir uns in diesem Fall keine Sorgen machen müssen. Du vergißt etwas.« Jon-Tom streckte den Arm aus.
»Bei meiner Seele«, lachte der Hase, »das vergaß ich tatsächlich.« Er klang leicht verlegen. »Es ist nicht leicht, einen Drachen zu vergessen. Wie still er doch ist!«
»Träumt bestimmt süße Träume von einer klassenlosen Gesellschaft.«
Caz nahm das Monokel heraus und putzte es geistesabwesend mit dem Saum seines schönen Hemdes. »Dann können auch wir selbst beruhigt schlafen. Die Gegenwart des Drachen ist mehr wert als hundert Wachtposten. Ich werde es genießen, in der sicheren Nähe eines so mächtigen Verbündeten zu schlafen.«
»Paß nur auf, daß er sich nicht im Schlaf herumwälzt!« Caz winkte ihm lächelnd zu, und Jon-Tom sah zu, wie der weiße Schwanz sich hüpfend dem schwarzen Klumpen näherte, der ihr Lager beschirmte.
Freundlich drang noch einmal Caz' Stimme zu ihm herüber.
»Drachen werfen sich im Schlaf nicht herum, sie sind nicht dazu gebaut. Aber ich hoffe entschieden, daß er nicht schnarcht. Es würde mir nicht sonderlich gefallen, mit brennenden Unterhosen aufzuwachen.«
Jon-Tom lachte mit ihm. Pog schlief schon, hing wie eine große dunkle Frucht am Ast eines vorgeneigten Baumes. Auf der anderen Seite des Feuers plauderten Talea und Flor leise unter ihrem Bettzeug. Er dachte daran, sich zu ihner zu gesellen, zuckte die Achseln und
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