Bannstreiter
Herzschläge später fing der Durchgang vor ihnen an zu wabern. Die Passage zum anderen Tor war eingerichtet.
Venea ließ die Jade in der kleinen Tasche an ihrem Gürtel verschwinden und streifte andächtig über ihre Armbänder. Derart gewappnet traten sie Seite an Seite ein, dazu bereit, allen Gefahren zu trotzen, die sich ihnen entgegenstellen mochten.
Syrk
Rabold schien wieder bei Kräften zu sein, doch seine Verletzungen hatten ihn verändert. Mit ausdrucksloser Miene saß er in dem Zelt, in das Alvin und Bornus geführt worden waren. Alle Versuche, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, endeten schon nach kurzer Zeit in beklommenem Schweigen. Obwohl die beiden Iskander hartgesotten waren, fiel es ihnen schwer, das von einem tiefroten Geflecht aus Brandwunden überzogene Gesicht dauerhaft anzusehen.
Wie es um den Rest von Rabolds Körper bestellt war, war nicht zu erkennen. Sein weites Gewand bedeckte selbst die Hände. Mit Kräutersud getränkte Wickel brauchte er jedenfalls nicht mehr. Dabei wäre seine Gegenwart mit einem dicken, nur die Augen frei lassenden Kopfverband viel leichter zu ertragen gewesen.
Bei Hatras Eintreffen sprangen Alvin und Bornus erleichtert auf.
»Es gibt gute Nachrichten«, verkündete die Alte, deren verwittertes Gesicht noch faltiger als gewöhnlich wirkte. »Rorn und Venea sind wohlauf.«
Außer bei Rabold, der weiterhin keine Miene verzog, löste das allgemeine Freude aus, die ein abruptes Ende fand, als Bornus fragte: »Weiß der Bannstreiter inzwischen, dass du die Schattenmutter bist?«
»Ich wollte ihm die Überraschung nicht verderben«, scherzte Hatra, um von der guten Stimmung zu retten, was noch möglich war. Ernst fügte sie sogleich hinzu: »Die Zeit drängte zu sehr, um Rorn mit solchen Nebensächlichkeiten zu belasten. Er und Venea haben eine Passage nach Myandor entdeckt und werden dort in Kürze eintreffen. Wir müssen uns ebenfalls sputen, damit sie dort nicht alleine gegen eine Übermacht stehen.«
»Wie stellst du dir das vor?« Alvin konnte kaum glauben, was er da hörte. »Allein bis zur Großen Öde sind es drei Tagesritte, und danach müssen wir noch durch die endlosen Weiten der Wüste! Es wird mindestens bis zum nächsten Halbmond dauern, bis wir unser Ziel erreichen.«
»Du vergisst, dass du von Hexen umgeben bist.« Hatras Augen glitzerten vor Freude. »Gebt also euren Reitern Befehl, dass sie sich im Lager sammeln und uns Schattenschwestern flankieren sollen.«
»Stimmt«, sagte Alvin missmutig. »Ich wollte dir ja melden, dass wir abmarschbereit sind.«
»Das wusste ich.« Die Alte stützte sich so stark auf ihren Holzstecken, dass sich ihre rechte Wange unbewusst an das knorrige Holz schmiegte. »Sonst hättet ihr mir schließlich nicht eure Aufwartung gemacht.«
Rabold erhob sich, ohne ein Wort zu verlieren. Mit gleichgültig wirkenden Bewegungen hängte er sich eine Ledertasche um, warf seinen Umhang über die Schultern und zog sich die Kapuze tief ins entstellte Gesicht.
Zusammen mit ihm traten auch alle anderen nach draußen.
Die pralle Hitze, die sie hinter der zurückgeschlagenen Tierhaut erwartete, ließ Alvin beinahe zurücktaumeln. »Was für ein Glutofen«, stöhnte er. »Wie soll es da erst in der Wüste werden?«
»Dieses Wetter ist ein Vorbote nahenden Unheils«, verkündete Hatra düster. »Genauso wie die sinkenden Pegel der Tausendsee. Es war nicht gelogen, was ich Horvuk bei unserer Audienz erzählt habe. Die Große Öde war einst von Flüssen durchzogen, doch durch die mächtigen Siegel, die in Myandor wirken, geriet die Natur völlig durcheinander. Während das Herrschaftsgebiet der Greifen ausgetrocknet ist, bekam dieser Teil des Landes überreichlich, was allen Lebewesen von größtem Nutzen ist: Süßwasser.«
Alvin fragte sich zum wiederholten Male, woher die Hexe das alles wusste. Doch wie auch immer ihre Antwort ausgefallen wäre, es hätte nichts an dem geändert, was folgen musste. Und so zog er mit Bornus los, die Männer zusammenzurufen, die von König Horvuk bezahlt wurden, aber letztlich im Sold der Sumpfhexe standen.
Ein scharfer Wind rüttelte an den Zelten, als sie zu ihren Pferden eilten, und gewann noch an Heftigkeit, während sie die Leichte Reiterei zusammentrommelten. Die meisten ihrer Männer waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, dazu trugen sie Schwerter an den Hüften und Rundschilder auf dem Rücken. Zweckmäßige, von abgewetzten Lederharnischen dominierte Kleidung ersetzte ihnen die einheitliche
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